Malin Stehn: Nur eine Lüge, Zwei Familien. Eine tödliche Verbindung, Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger, Scherz Verlag, Frankfurt a.M. 2023, 432 Seiten, €16,00, 978-3-10-491636-1

„Was meine Ex über die Familie Nihlzén gesagt hat, beunruhigt mich tatsächlich mehr als ihr Alkoholpegel. Was meinte sie mit diesen Geheimnissen? Hat sie heute Abend ein Gespräch belauscht? Wie viel hat sie gehört?“

Vor acht Jahren während einer Party mit viel Alkohol sind die engen Freunde William Nihlzén und Erik Brandt, zu diesem Zeitpunkt sind beide achtzehn Jahre alt, in ein fremdes Auto eingestiegen und haben einen folgenschweren Unfall verursacht. Der angetrunkene William hatte sich ans Steuer gesetzt und Erik neben ihm war zu diesem Zeitpunkt ziemlich ungehalten, da sein Freund, ein Mädchen geküsst hatte, dass er für seine Freundin hielt. Nach dem Autounfall veränderte sich alles. Einst war die Familien von William und Erik eng befreundet. Doch nun gehen sich alle aus dem Weg. William bekommt eine milde Gefängnisstrafe und Erik landet im Rollstuhl.

Zwar kämpft Annika, die Mutter von Erik, wie eine Löwin um ihren Sohn, aber auch sie zerstört durch ihren Fanatismus und ihre Alkoholsucht die Familie. Ihr Ehemann Mats lässt sich scheiden und seine Tochter Emily pendelt zwischen den Eltern. Erik zieht nach Göteborg und bricht alle seine Kontakte ab.

Aus den unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Mitglieder der Familie Brandt erzählt Malin Stehn ihre zeitversetzte Geschichte. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Hochzeit von William und Emily, deren Geschehnisse immer wieder durch Rückblenden acht Jahre zurück und drei Monate vor der Hochzeit unterbrochen werden.

Emily und William kennen sich seit Kindertagen, aber so richtig gefunkt hat es erst Jahre nach dem schrecklichen Unfall. Emilys Mutter Annika ist mehr als ungehalten über diese Eheschließung, auch Erik hat kaum mehr mit Emily gesprochen. Nur Mats und seine neue Partnerin freuen sich auf die pompöse Hochzeit im Schloß Örenäs.

Allerdings wissen die Lesenden von Anfang an, dass diese Hochzeit trotz wunderbarem Wetter und schlecht gelaunten Familienmitgliedern nicht der schönste Tag in Emilys und Williams Leben sein wird. Denn es gibt am Ufer des Öresunds einen Toten zu beklagen.

Immer wieder spielt die schwedische Autorin mit dramatisch gut gesetzten Cliffhangern, die zum Weiterlesen animieren. Arbeitet der smarte, in der Öffentlichkeit und durch die sozialen Medien sehr bekannte William in einer erfolgreichen Werbeagentur, so schlägt sich Erik als Freelancer durch. Zur Hochzeit wird sogar ein Boulevardblatt eingeladen, dass berichten wird.

Obwohl Erik eigentlich nicht zur Hochzeit anreisen wollte, setzt er sich mit seiner Helferin Nike ins Auto. In Andeutungen bei Gesprächen wird klar, irgendetwas muss ihn seit seinem Unfall bedrücken, denn er möchte reden und endlich „frei“ sein. Deutlich wird auch, dass Williams Vater Krister eine Rolle dabei spielt. Doch zu diesem Zeitpunkt können die Lesenden nur spekulieren.

Interessant wird es als drei Monate vor der Hochzeit eine Leiche im Naturreservat Häckeberga entdeckt wird. Ein alter Mann, der schon lang vermisst und offenbar auch vergessen wurde, taucht auf. Was hat dieser Tote mit dem Unfall der beiden jungen Männer zu tun?

Spannend liest sich dieser atmosphärisch stimmige Roman, der eindringlich über Schuld nachsinnt und beschreibt, was dieses Gefühl mit einem Menschen anstellen kann. Rechtfertigen jedoch Rücksichtnahme auf das jugendliche Alter und die Folgen das Bekenntnis zur Wahrheit?

Haben William und Erik sich eindeutig schuldig gemacht, so tragen allerdings nicht nur sie in diesem Krimi die volle Last.

Lesenswert!