Lena Andersson: Unvollkommene Verbindlichkeiten, Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs, Luchterhand Verlag, München 2017, 382 Seiten, €18,00, 978-3-630-87524-8
„Sie liebte Olof nicht, weil er sie wie den letzten Dreck behandelte, sondern weil es wunderschön war, wenn er das nicht tat. Es war der Kontrast, der explosiv wirkte. Aber es konnte auch so schlimm stehen, dass Olof sie wie den letzten Dreck behandelte, weil sie ihn liebte.“
Die schwedische Autorin Lena Andersson hatte mit „Widerrechtliche Inbesitznahme“ einen Roman über die Liebe geschrieben. Auch hier drehte sich alles um die Hauptfigur Ester Nilsson, Dichterin und Essayistin, die sich in den weithin bewunderten bildenden Künstler Hugo Rask verliebt hatte. Sie verfällt ihm regelrecht. Unterwirft sich ihm vollends und er nutzt die Macht, die er über sie hat, gnadenlos aus. Nun, sieben Jahre später, trifft sich Ester mit dem Schauspieler Olof Sten. Sie bemerkt, wie gern sie mit ihm redet, ihn um sich hat, sich mit ihm verbunden fühlt. Er ist mit der Ärztin Ebba verheiratet und führt mit ihr eine Wochenendehe. Ester ist flexibel, sie hat Zeit zum Schreiben, aber auch Reisen. Sie trifft sich immer wieder mit Olof, sie verliebt sich in ihn und sagt es ihm auch unverhohlen.
Sie will ihr Leben mit Olof teilen. Aber Olof sagt ihr eigentlich von Anfang an, dass er ihre Liebe nicht will. Er redet gern mit ihr, er fühlt sich offenbar auch zu ihr hingezogen, aber er will keine intime Beziehung. Es ist ein Hin und Her, nie hält Ester längere Pausen aus, sie schreibt eine SMS nach der anderen, sie ruft ihn an und sie sehen sich. Sie erhofft, sich nach jedem Beisammensein, dass er seine Frau verlässt und sich ihr zuwendet. Aber er sagt nie, dass er sich von Ebba trennen wird, er bittet Ester sogar an Weihnachten oder in Hotels, wenn Kollegen anwesend sein könnten, sich zurückzuhalten. Inzwischen haben beide dann doch eine sexuelle Beziehung, denn immerhin reist Ester hunderte Kilometer, um Olof auf seiner Theatertour zu besuchen.
Nach jedem Treffen deutet Ester seine Worte, sie wägt sie ab und glaubt, etwas zu hören, was nicht gesagt wird. Ihre Freundinnen werden langsam sauer über Esters Toleranz ihrem Liebhaber gegenüber. Wo bleibt ihre Selbstachtung? Warum lässt sie sich von Olof so klein machen? \n\nLena Andersson erzählt diese Liebesgeschichte, die sich über dreieinhalb Jahre hinziehen wird, aus Esters Sicht. Olof taktiert, indem er Ester hinhält, ihr sagt, sie solle abwarten. Ester glaubt, je länger sie ausharrt, um so größer sind die Chancen, den Mann für sich zu gewinnen.
Aber der Leser geht längst auf Distanz, denn Olofs physisches und psychisches Spiel des Anziehens und Wegstoßens wird zur Masche. Im Sommer ist klar, dass er mit Ebba keine Zeit verbringt. Ester hat bereits die Koffer gepackt als ihr mitgeteilt wird, dass Ebba anreisen wird und sie nicht erwünscht sei. Esters Gemütszustand wechselt von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Sie kauft sich sogar ein Auto, um Olof zu kutschieren. Immer wieder bleibt er bei seinem Statement, er sucht eine Freundin. Ester jedoch sucht einen Mann. Sie schreibt auf seine Bitte hin ein Theaterstück.
Beide trennen sich und finden sich doch wieder, denn wenn sie sich entfernt, nähert er sich an und wenn sie zu nah kommt, sucht er das Weite. Er schwankt in seiner Entschlossenheit, ein Zeichen für sie, dass er sich nun bald von seiner Frau trennen wird. Ester kann nicht mehr auf ihn und das Gefühl, im Rausch zu sein, verzichten. Diese Sehnsucht nach einer SMS, einem Anruf, einem Treffen im Hotel, bei ihr oder am Ende sogar bei ihm. Mal fühlt sie sich gedemütigt, mal ignoriert sie einfach seine Nebenbemerkungen, die sich auf seine Frau beziehen. Aber Ester weiß, dass sie nie alles mit Olof teilt, dass es da immer eine Schranke geben wird.
„Ester war so an ihre falschen Erwartungen gewöhnt, dass sie ihr vorkamen wie ein alter Pullover, den man zum Putzen anzieht. Die Resignation ließ sie kühler und langsamer, gleichsam abgewandt erscheinen, und jedes Mal machte dieser Wechsel Olof aufmerksamer. Er wurde interessiert, wenn sie resignierte.“
Dieses Psychospiel kann Ester nur bis zu einem gewissen Punkt aushalten. Als sie nicht mehr in der Lage ist, Ebbas unsichtbare Gegenwart zu ertragen, schreibt sie ihr eine Mail.
Lena Andersson erzählt in bestechenden Dialogen und glänzenden analytischen Passagen wieder von einer unerfüllten Liebe, die zwischen Olof und Ester in diesem Fall kein gutes Ende nehmen kann.
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