Kevin Brooks: Travis Delaney – Was geschah um 16:08?, Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2015, 336 Seiten, €14,95, 978-3-423-76111-6

„Erst nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, wurde mir die absolute Wahrheit allmählich klar: Bashir bedeutete für mich überhaupt nicht alles. Natürlich nicht. Es kam mir nur so vor. Es waren Mum und Dad, die für mich alles bedeuteten. Alles, was ich getan hatte, und alles, was ich hatte tun wollen, galt nur ihnen. Ihrem Leben und ihrem Tod.“

Die Eltern des 13-jährigen Travis Delaney sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Auf der Beerdigung jedoch beobachtet der Junge einen Mann, der mit Hilfe einer Knopfkamera die Trauernden filmt. Die Delaneys arbeiteten in ihrer eigenen Privatdetektei in Barton, die sie von Travis Großvater übernommen hatten. Er war zwar einst beim militärischen Geheimdienst Nachrichtenoffizier, aber die Fälle, die die Detektei verfolgte drehten sich meistens um Versicherungsbetrug oder Beschattungen bei Eifersüchteleien. In seinem Kummer kann Travis nicht glauben, dass seine Eltern auf dem Weg nach London an diesem bewussten Tag kaum zehn Kilometer von Zuhause entfernt an einen Baum mit dem Auto geprallt sind. Immerhin war seine Mutter eine sehr gute Autofahrerin und das Tempo des Wagens war auch nicht übermäßig schnell.

Travis versucht seinen Eltern nah zu sein, indem er ihren letzten Fall recherchiert. Seltsam ist nur, dass eine Horde von Randalierern in der Straße, in der die Detektei sich befindet, alle Büros und Läden gestürmt haben. Die Laptops sind weg und ein heilloses Chaos erwartet Courtney Lane, die Sekretärin der Delaneys. Travis mag Courtney, die viel mehr drauf hat, als sie wirklich zugibt. Und Travis findet ein Foto mit drei Männern, einer ist der von der Beerdigung. Travis Vater hatte auf die Rückseite nicht nur 16:08 Uhr geschrieben, sondern noch Abkürzungen, die der Sohn aber nicht entschlüsseln kann.

Beim letzten Fall sollten Travis Eltern im Auftrag vom Boxclubchef John Ruddy einen Sportler suchen: Bashir Kamal. Angeblich soll der Boxer, der kurz vor einem wichtigen Kampf stand, nach Pakistan geflogen sein, um seine Großmutter zu pflegen.

Als Travis und Courtney nochmals die Mutter von Bashir befragen, spüren sie die Angst der Frau. Es ist klar, hier stimmt irgendetwas überhaupt nicht.

Travis weit den Großvater ein und der bemerkt auf dem Foto, das Travis bei der Beerdigung von dem Fremden gemacht hatte, das er ein Zeichen von einer Geheimorganisation namens Omega am Handgelenk trägt.

Aber nicht nur dieser Mann ist plötzlich auf Travis Spuren, auch der CIA und der MI5 interessieren sich für den Jungen. Bashir ist sicher nicht in Pakistan, sondern irgendwo in der Nähe. Als Travis das Navi seines Vaters entdeckt, kann er das letzte Ziel noch nachprüfen. Seine Eltern wollten in London sich mit jemandem vom MI5 treffen. Immer verwickelter wird die Geschichte als Travis Großvater mit seinen alten Kontakten herausfindet, dass Bashir offensichtlich ein Mitarbeiter des MI5 ist und terroristische Gruppen, nachdem sein Bruder Said 2006 bei einem Selbstmordanschlag in Islamabad getötet wurde, aus Rache unterwandert.

Fragen über Fragen stellt sich Travis und er erkennt, nur Bashir kann diese beantworten.

Doch wo ist er und stimmt es wirklich, dass er als Pakistani für die Briten arbeitet?

Der bekannte englische Autor Kevin Brooks bäckt natürlich keine kleinen Brötchen für seinen ersten Fall, sondern ruft gleich diverse namhafte Geheimdienste auf den Plan, nebst Geheimverschwörungen internationaler Terroristen. Travis muss auch mehrmals nachfragen, bevor er verstehen kann, worum es überhaupt im Fall Bashir geht. Brooks Hauptfigur ist ein sympathischer, mutiger Junge, der sich für andere einsetzt und Empathie empfindet. Als selbstbewusster Junge ist er trotz seiner dreizehn Jahre ziemlich erfahren, wenn es darum geht Leute auszufragen, zu kombinieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Er kommt mit Hilfe seines Großvaters, eines Gangführers namens Mason, der ziemlich guten Boxerin Evie und eigenem Köpfchen dann auch ziemlich weit. Doch abgeschlossen ist sein Fall auch am Ende des ersten Bandes nicht. Kevin Brooks erzählt eine temporeiche, nah am gesellschaftlichen Geschehen angelegte Geschichte, bei der Liebhaber dieses Genres auf ihre Kosten kommen. Auf den zweiten Band kann man sich jedenfalls jetzt schon freuen.
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