Jenny Han: Der Sommer, als ich schön wurde, Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann, Carl Hanser Verlag, München 2011, 253 Seiten, €13,90, 978-3-446-23660-6
„Es wurde ein Sommer, den ich nie, nie vergessen sollte.“\r\n
Seit Belly denken kann verbringt ihre Familie die Sommerferien im großen Strandhaus der besten Freundin ihrer Mutter, bei Susannah Fisher in Cousins Beach. Bald wird Belly 16 Jahre alt sein und sie spürt, dass in diesem Sommer, der mit seinen „zahlreichen Versprechen und Möglichkeiten“ vor ihnen liegt, alles anders werden könnte.
Wie immer nehmen Susannahs Jungen Conrad und Jeremiah, beide ein paar Jahre älter als die Ich-Erzählerin Belly, die Gäste in Empfang. In Gedankenströmen, ausgelöst durch Wörter oder Begebenheiten, erinnert sich Belly an ihre Sommer am Meer als sie sechs, elf oder vierzehn Jahre alt war. Immer war sie in den Augen von Conrad, Jeremiah und Steven, ihrem älteren Bruder, die Kleine, die Außenseiterin. Während die Jungen zum Nachtfischen rausfuhren oder anderen Blödsinn treiben durften, musste sie bei Susannah und ihrer Mutter Laurel ausharren. Wie wurde sie aufgezogen, wenn sie mal petzte.
Aber zu den heiß erwarteten Sommermonaten gehörten auch die gemeinsamen Spieleabende, vertraute Gespräche, das zusammen abhängen, schwimmen, toben, scherzen und einfach glücklich sein. Auch wenn Belly sich in diesem Sommer anders fühlt, eins hat sich in all den Jahren nicht geändert, Belly ist nach wie vor in den eigenwilligen Conrad verliebt. Jeremiah dagegen mag sie wie einen Bruder, er ist der Clown in der Familie, der harmoniesüchtige Freund. Wenn Belly zurückdenkt, dann weiß sie genau, wie sehr sie sich nach diesen sonnigen Wochen mit ihrer Sommerfamilie immer sehnt.
In diesem Jahr jedoch liegt ein Schatten auf den Tagen. Susannah, die früher an Krebs erkrankt war, fühlt sich nicht gut. Ihr Mann kommt nicht an den Wochenende zum Haus, Conrad spielt sich als Aufpasser auf, trinkt und verkriecht sich. Jeremiah schaut Belly dagegen immer so seltsam an. Endlich darf das Mädchen, dass ja nun kein Kind mehr ist, mit zu den Partys und trifft dort Cam, einen sehr ernsten, ziemlich leistungsorientierten Jungen. Mit ihm wird sie viel Zeit verbringen und bemerken, dass sie plötzlich von Jungen beachtet wird, attraktiv und interessant erscheint.
In Bellys Reflexionen über vergangene Sommer tauchen immer wieder auch beklemmende Szenen auf, in denen Belly ihre körperlichen Veränderungen eher peinlich waren. Nun kostet sie alles Neue aus und sehnt sich doch nach Conrads Aufmerksamkeit, der mit einem anderen Mädchen turtelt oder aggressiv auf Belly reagiert.
Im Gefühlschaos zwischen Belly und Cam, aber auch Cam und Conrad, bemerkt das Mädchen nicht, dass die Fishers sich mit einem ernsten Problem quälen. Nicht die mögliche Trennung steht im Raum, sondern Susannahs erneut ausgebrochene Krebserkrankung.
Die amerikanische Autorin Jenny Han übergibt ihrer sympathischen Hauptfigur sprachlich leicht die Führung in dieser Sommergeschichte, die sich um Bellys gegenwärtiges Befinden, ihre Hoffnungen, Beobachtungen, aber auch Erinnerungen an vergangene unbeschwerte wie konfliktreiche Momente dreht. Von der ersten Seite an zieht die Autorin den Leser in diese Ferienatmosphäre hinein, zu Menschen, die vertraut Zeit miteinander verbringen. Doch war einst alles so unkompliziert als die Jungen und Belly noch Kinder waren, so ist plötzlich alles verworren und nicht mehr durchschaubar. Durch Bellys Rolle als Ich-Erzählerin ist der Leser sehr nah an ihren Gedanken und Empfindungen und auch nie klüger als die Berichtende selbst. Das Mädchen ist eine aufmerksame Beobachterin, der atmosphärische Veränderungen nicht entgegen. Allerdings ahnt sie den Sommer über nicht, dass ein Abschied in der Luft liegt. Jenny Han versteht es glaubhaft, unterhaltsam, emotional berührend und zugleich mit Tiefgang Befindlichkeiten zu beschreiben, die Jugendliche in bestimmten Entwicklungsphasen durchleben.
Eine Fortsetzung der Geschichte um Belly, Conrad und Jeremiah ist bereits in Arbeit.‘, ‚Der Sommer als Zeit der Veränderung‘
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