Camilla Läckberg: Kuckuckskinder, Erica Falck ermittelt, Aus dem Schwedischen von Katrin Frey, List Verlag in Ullstein Buchverlage, Berlin 2022, 410 Seiten, €22,90, 978-3-471-35175-8

„Erst am Samstag hatten sie goldene Hochzeit gefeiert. Umgeben von ihren Söhnen, Enkelkindern und Freunden hatten sie sich an einem langen und erfolgreichen Leben als Paar und Familie erfreut, und nun lag alles in Schutt und Asche. Der ältere Sohn und die Enkelkinder waren tot, und der jüngere Sohn wurde des Mordes verdächtigt.“

Alles beginnt völlig harmlos und endet in einem beispiellosen Rachefeldzug.

Elisabeth und Henning Bauer, sie eine bekannte Verlegerin, er ein erfolgreicher wie anerkannter Schriftsteller, feiern ihre goldene Hochzeit. Als Krönung eines langen Schriftstellerlebens steht sogar für Henning Bauer der Nobelpreis in Aussicht.

Auch Erica Falck ist mit ihrem Ehemann, dem Ermittler, Patrik eingeladen.

Erica kennt die Schwiegertochter der Familie Bauer, Louise, Frau von Peter und Stiefmutter der beiden kleinen Söhne, ganz gut. Beide treffen sich zu sportlichen Aktivitäten, wenn die Familie in Fjällbacka oder auf der Insel der Bauers verweilt.

Parallel zur gegenwärtigen Handlung erzählt Camilla Läckberg von Lola und Pytte, die als Mutter und Tochter 1980 in Stockholm lebten. Lola hieß einst Lars und arbeitete in einer Bar. Pytte war ihre Tochter, die leibliche Mutter verstarb bei der Geburt. Lola und Pytte liebten sich innig, auch wenn Lola ahnte, dass vieles schwerer wird, wenn Pytte in die Schule kommt. Beide werden sterben, sie an Pistolenschüssen in den Kopf und das Kind an einer Rauchvergiftung, ausgelöst durch den Wohnungsbrand. Lola war mit Elisabeth, Henning und vor allem Rolf und seiner damaligen Frau Ester befreundet. Rolf, ein bekannter Naturfotograf, bereitet nun eine Ausstellung über Lolas Leben in der ortsansässigen Galerie vor. Er wird am Abend der Feier mit einer Nagelpistole in den Ausstellungsräumen getötet. Patrik beginnt mit den Ermittlungen. Durch Zufall hat Rolfs zweite Ehefrau Erica von Lola und ihrem gewaltsamen Tod, der nie aufgeklärt wurde, erzählt. Erica wittert ein neues Romanthema und beginnt zu recherchieren, und in Stockholm Leute zu befragen, die Lola und ihre Tochter noch kannten.

Als dann die Familie Bauer mit Louise, die auch die Assistentin von Henning ist und die Verwaltung ihres gemeinsam gegründeten Clubs „Blanche“ betreut, auf die eigene Insel reist, begleiten sie Rolfs zweite Ehefrau und der jüngere Sohn Rickard Bauer mit seiner Freundin Tilde. Rickard ist das schwarze Schaf in der Familie, immer neue Projekte im Kopf, die die Mutter finanziert und die er dann gegen die Wand fährt. So wie Tilde ist Rickard egoistisch, arrogant und selbstverliebt. Zum Freundesbund von Henning gehört noch der ewig betrunkene Ole, der nie seine Finger von jungen Frauen lassen kann und seine Ehefrau Susanne, die Mitglied in der Schwedischen Akademie ist.

Die Lesenden ahnen, dass Rolfs Tod irgendetwas mit Lolas tragischem Schicksal zu tun haben muss. Als dann aber brutal und unfassbar skrupellos Peter und seine beiden Söhne erschossen werden, ist völlig unklar, welches Motiv der Mörder oder die Mörderin hatte, einen unbescholtenen Mann und sogar dessen kleine Kinder zu töten.

Tief sind die Abgründe in noch so bürgerlichen Lebensentwürfen und stabil ist die Fassade, die bestimmte Leute in besseren, gut betuchten Kreisen aufbauen. Andeutungsweise erinnert einiges an den Skandal um den Nobelpreis vor einigen Jahren und die Metoo – Debatte, die dem tadellosen Ruf der Schwedischen Akademie geschadet hatte. Doch natürlich darf man den Titel des Romans nicht übersehen.

Rickard ist zum Beispiel ein Kuckuckskind, denn nicht der verhasste Henning ist sein Vater, sondern Rolf. Da das Blutvergießen weitergehen wird und der Täter oder die Täterin sich selbst offenbaren muss, um ihre Motive darzulegen, wird auch Erica unweigerlich in die Mordermittlungen hineingezogen. Wie immer hadert die dreifache Mutter von Kleinkindern mit ihrer Figur und der Tatsache, dass sie über Hitzewallungen und Gewichtszunahme klagt. Letztendlich beginnen für Erica aber nicht die Wechseljahre, sie ist schwanger.

Wie so oft bei Camilla Läckberg kennen die lesenden Fans natürlich auch alle Familiengeschichten, nicht nur die von Ericas Familie, sondern auch die von Patriks nicht geliebten Chef Mellberg. Die aufdringliche Presse spielt wie immer eine Rolle und Frauen, die sexuelle Belästigung nicht mehr dulden wollen. Die Polizeiarbeit steht im Vordergrund, denn Beweise werden zusammengetragen und Verdächtige verhört. Doch Rickard, dem der Bruder am Vorabend seines Todes angekündigt hatte, den Geldhahn abzudrehen, ist nicht der Schuldige, das wäre zu einfach.

Spannend wie immer und doch ein bisschen zu konstruiert!