Stanley Tucci: Taste – Mein Leben für Küche und Kamera, Aus dem amerikanischen Englisch von Steffen Jacobs, Arche Literatur Verlag, Zürich 2023, 320 Seiten, €25,00, 978-3-7160-2813-1

„ Aber nach meiner Krebsdiagnose stellte ich fest, dass nun Essen, Trinken, die Küche und der Esstisch diese Rollen übernommen haben. Essen nährt mich nicht nur, es bereichert mich. Ganzheitlich. Körper, Geist und Seele. Es bedeutet mir alles.“

Vorausschicken muss man dieser kulinarischen Autobiografie, dass sie die Lesenden nicht eine Sekunde langweilt und auch niemandem weh tun will. Der Schauspieler, Autor und Regisseur erspart den Lesenden jegliche Jammerei über Achtsamkeit, Nachhaltigkeit, Kalorienzählerei oder andere dem Zeitgeist geschuldeten Zirkus. Er hat Allergien und verzichtet aus bestimmten Gründen auf Zucker, aber das geht nur ihn und sein Essverhalten etwas an. Wichtig ist, dass man dieses Buch mit gefülltem Magen liest oder, wenn es gar nicht anders geht, nebenher mit dem Kochen beginnt. Stanley Tucci wirkt in allem ( natürlich schaut man bei Youtube in Interviews) gelassen positiv und er kennt keine Tabus, es wird Alkohol getrunken, insbesondere Cocktails ( immer mit Zutatenliste und Anleitung ), diverse Fleisch- und Fischgerichte spielen eine wichtige Rolle, insbesondere zu Weihnachten, auch Fast Food darf mal sein und natürlich gibt es Pastaempfehlungen in allen möglichen Varianten.

Durch seinen unterhaltsamen, auch weltgewandten nie sich aufspielenden Plauderton zieht der amerikanische, preisgekrönte Schauspieler Stanley Tucci ( „Der Teufel trägt Prada“, „Die Tribute von Panem“, „Julie & Julia“, „Kindeswohl“ und aktuell auf Netflix „Inside Man“ ) jeden in sein eigentlich ganz normales Leben mit Kindern und zu Beginn in die Küche seiner Mutter ( Die Familie ist aus Kalabrien in die USA einst eingewandert. ) in New York und später in die eigene ( auch in London). Mit wunderbar trockenem Humor und indem er die Lesenden anspricht, stellt sich schnell Sympathie ein. Nie kommt ein belehrender Ton auf, auch wenn er sich über so einige Verfehlungen beim Essen aufregt. So lernt man, dass man nie, aber auch wirklich nie Spaghetti mit dem Messer zerteilen darf. Dagegen trockene Spaghetti zerbrechen, ist keine Sünde. Tucci, dem sehr viel an Eleganz liegt und der das sonnige Los Angeles so gar nicht mag, erzählt einiges aus seinem privaten Leben und bleibt doch diskret. Er kokettiert auf witzige Weise mit seinen Bekanntschaften und Freunden ( Das Wort „Freund“ hat aus amerikanischer Sicht eine andere Bedeutung als in unseren Breitengraden.). Als er von Marcello Mastroianni nach einem Dreh, bei dem er als Dolmetscher helfen konnte, zu einem wirklich außergewöhnlichen Essen eingeladen wird, spürt man zwischen den Zeilen immer noch die Aufregung und Bewunderung für den italienischen Schauspieler, die ihn damals ergriffen hatte. Viele berühmte und weniger bekannte Namen fallen, die der Autor wie er verspricht auch wieder „aufheben wird“. Selbstbewusst, aber auch generös schreibt Tucci gern über andere bekannte Köche, ob sie nun Autodidakten, wie der unvergessliche Keith Floyd waren oder über Michelin-Sterne verfügen. Allerdings, so Tucci, sind Restaurants mit hohen Auszeichnungen ihm zu fein. Er liebt eher das ursprüngliche, die einfache, frische Küche mit guten Zutaten, egal welcher Nationalität. Interessant ist da sein beruflicher Aufenthalt in Island, weit ab von der Hauptstadt. Bei allen Vorurteilen, was das mögliche Essen anbelangt, wurde er hier absolut überrascht.

Aus der Sicht des bekannten und nun gut bezahlten Künstlers ist es sicher einfach, über die entbehrungsreichen Zeiten in New York am Beginn der Karriere zu schreiben. Und natürlich berichtet er auch auch über seinen Kampf, das eigene Drehbuch zu „Big Night“ ( mit Erfolg 1996 als Film verwirklicht ) an die richtigen Produzenten zu bringen.

Die Autobiografie setzt sich aus mehreren Erzählelementen zusammen: Rezepte, die in Tuccis Leben eine wichtige Rolle spielen, Episoden aus seinem Leben ( über den Dreh der Dokumentarfilmreihe „Searching for Italy“, Catering an Filmsets, Familienepisoden, Erinnerungen an Reisen und sogar ein Einblick in sein Leben in der Zeit des Lockdowns in London mit allen Ängsten und Freuden ) und der Wiedergabe von Dialogen mit Familienmitgliedern.

Dass der heute Zweiundsechzigjährige wieder mitten im Leben steht, verdankt er der Überwindung seiner Krebserkrankung, die sich zynischerweise genau da platziert hat, wo es ihm am meisten weh tut. Auch darüber schreibt er am Ende des Buches erstaunlich realistisch und stellenweise auch mit einem Augenzwinkern.

Die typische Lobhudelei, wenn es um bekannte Personen geht, kann auch er leider nicht lassen, aber das kann man Tucci nachsehen, denn seine Art zu erzählen ist wortgewandt und bildreich. Immerhin weiß er genau, worüber er schreibt und wie allen unterlaufen auch ihm Fehler, ob nun beim Kochen oder anderweitig.

Entstanden ist ein wunderbares Buch, dass man sicher immer wieder zur Hand nimmt, um doch endlich mal den Cocktail zu mixen, den Stanley Tucci so liebt.