Molly & Rolf Börjlind: Die Dunkelheit zwischen uns, Aus dem Schwedischen von Julia Gschwilm, btb Verlag, München 2023, 288 Seiten, €12,00, 978-3-442-77086-1

„Das bin ich aber nicht. Im Gegenteil. Es geht mir schlecht, weil ich mich nicht erinnere. Als wäre ich aus einer Familientragödie herausgeschnitten.“

Hat Rolf Börjlind bisher mit seiner Frau Cilla absolut spannende Thriller veröffentlicht, so erscheint nun sein erstes gemeinsam geschriebenes, etwas schmaleres Buch mit seiner Tochter Molly.

Im Mittelpunkt der tragischen Geschichte steht die fünfundzwanzigjährige Emmie, die nach einer langen Zeit ihre Familie im Sommerhaus auf der Schäreninsel Mytten besucht. Scheint sich Casper, ihr Vater, und auch der jüngere Bruder Oliver, er ist vierzehn, zu freuen, so ist die Begegnung mit Mutter Veronica eher frostig. Das marode Ferienhaus hat seinen Glanz verloren, es müsste renoviert werden. Eklig auch die Szene in der Küche. Die Mutter fängt Mäuse und wirft die halbtoten Tiere dann in einen Beutel, der in der Küche hängt. Als Emmie dann auch die Kormoraninsel fährt, trifft sie dort einen Nachbarn, den Künstler Lundgren, der, als sie ihren Namen sagt, grußlos verschwindet.

Emmie hat sich in einer psychiatrischen Klinik aufgehalten und sie erzählt, was sich durch den Roman zieht, ihre Geschichte einer namenlosen Person, die sich in einem fensterlosen Raum Notizen macht.

Die junge Frau kann sich nicht mehr an die Geschehnisse auf der Insel erinnern, als sie ca. sieben Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt ertrank ihr fünfjähriger Bruder Robin und dieses Unglück überschattet bisher ihr gesamtes Leben. Doch was ist wirklich passiert? Emmie sieht ihre Mutter mit großer Distanz, kann jegliche Berührung nicht ertragen, spürt ihre Abneigung und belauscht ein Gespräch zwischen den Eltern, in dem die Mutter sie als Eindringling bezeichnet. Mit Emmie verbindet die Mutter den Schmerz und die Trauer um den Sohn, dessen Leiche nie gefunden wurde.

Emmies Auftauchen verstärkt die Konflikte innerhalb der Familie. Casper als trockener Alkoholiker beginnt wieder zu trinken, die sich leicht künstlich verhaltende Mutter, die Äußerlichkeiten immer betont, verstärkt ihren Sauberkeitsdrang und auch Emmie verfällt in einen ungewöhnlichen Waschzwang. Nur Oliver kann sich mit Emmie entspannen und Zeit verbringen.

Casper hatte über das Verschwinden seines Sohnes und die Folgen für die Hinterbliebenen ein Buch geschrieben. Seltsam sind seine Anmerkungen Emmie gegenüber, dass Oliver nicht sein Sohn sei. Verwunderlich ist auch, dass es im gesamten Haus kein Bild von Robin gibt.

Wer verdrängt was? Stimmt es, dass Emmies Unfähigkeit sich nicht erinnern zu können, mit verdrängtem Missbrauch in Verbindung gebracht werden kann. Casper ist zutiefst enttäuscht, als Emmie in diese Richtung Andeutungen macht. Sie musste mit Depressionen kämpfen und wurde auch auf Betreiben der Eltern in die Psychiatrie eingewiesen.

Warum Anton Lundgren vor den Klippen unter seinem Haus gefunden wurde, muss ebenfalls geklärt werden.

Die Familie kann die Dunkelheit auch achtzehn Jahre später nicht überwinden, allerdings weiß nur eine, was an diesem Abend zwischen Robin und Emmie geschehen ist, und das ist Veronica.

Ausführlich fallen alle Beschreibungen aus, die sich um die handelnden Personen drehen, aber auch die sagenhafte schwedische Landschaft und die Gebäude. Ziemlich schnell ahnen die Lesenden, was geschehen sein könnte und doch wird nicht alles im Detail auserzählt, was Raum lässt für eigene Interpretationen.