Håkan Nesser: Ein Fremder klopft an deine Tür, Drei Fälle aus Maardam, Aus dem Schwedischen von Paul Berf, btb Verlag, München 2023, 368 Seiten, €24,00, 978-3-442-76250-7

„Von Zeit zu Zeit erfassen ihn Zweifel. Sie kommen wie Diebe in der Nacht, bereiten ihm aber keine Probleme. Keine anhaltenden. Das Leben würde ihm aus den Händen gerissen werden, wenn er es jetzt unterließe zu handeln. Zweifel wohnen in den Herzen der Narren, diese simple Wahrheit bringt ihn jedes Mal von Neuem auf Kurs.“

Sind es die Zufälle, die kleinen unvorhergesehenen Abweichungen im Alltäglichen, die dann alles verändern und oftmals nicht zum Guten? Beim schwedischen, wie immer auch feinfühlig schreibenden und beobachtenden Krimiautor Håkan Nesser gibt es nicht den Plot, der sich auf die Findung des Täters konzentriert. Er umkreist seine Protagonisten, erfindet ihnen ein Leben und lässt sie dann plötzlich aus ihrem routinierten Alltag fallen. So ergeht es auch der Schulsekretärin Anna Kowalski. Die Fünfunddreißigjährige langweilt sich in ihrer Ehe mit ihrem trockenen Ehemann. Allerdings hält sie die finanzielle Sicherheit. Seit Kurzem weiß sie, dass es nicht an ihr liegen könnte, dass sie keine Kinder bekommt. In dieser Lebensphase erblickt sie einen anonymen Brief mit kleinem Herzchen zwischen der Tür ihrer um Jahre jüngeren Nachbarin Wilma Verhoven, wo die Männer ein und ausgehen, und ihrer eigenen. Sie schnappt sich den Brief und geht davon aus, dass ein Bewunderer ihr so seine Liebe gestehen will. Alles ist auch sehr romantisch, denn in dem Brief befindet sich ein Schlüssel zu einem Schließfach im Bahnhof, in dem wieder ohne Grußkarte teurer Champagner und eine Blume auf Anna warten. Doch der Höhenflug endet als Anna und ihr Ehemann, der mit Wilma eine Affäre hatte, erfahren, dass die junge Frau ermordet wurde. Kriminalinspektor Jung und die mürrische Kommissarin Wilder, die Jung so gar nicht mag, werden ermitteln und somit in Van Veeterens Maardam künftige die polizeiliche Arbeit übernehmen.

Doch wer steckt nun hinter all den Rätseln, die auch für Anna nicht gut ausgehen. Ein verwickelter Fall entspinnt sich auch im zweiten Teil des Krimis zwischen zwei Personen, die ebenfalls der Zufall, eine kurze Begegnung verbinden. Ohne es zu ahnen, wird der eine den anderen rächen.

Auffällig hier ist, dass Håkan Nesser zwar die menschlichen Abgründe zutiefst auslotet, die stattfindende Gewalt aber nicht auskostend beschreibt.

Auch im dritten Teil könnte es zu blutigen Auseinandersetzungen kommen, und auch hier bleiben die Schilderungen kurz und prägnant. Zeitlich versetzt erzählt der Autor hier von einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen einem Raubmörder und einer jungen angehenden Gymnasiallehrerin. Sie hat ihm als junge Frau die Tür ihres Waldhäuschens geöffnet. Er auf der Flucht findet bei ihr zu einer seltsamen Ruhe, die ihn dann ins Gefängnis bringen wird, in dem er auch stirbt. In dieser Nacht wurde Tochter Nora gezeugt, die immer die Mutter nach ihrem Vater befragt hat. Der Tod des einstigen Geliebten bringt Judith Miller ein Vermögen, allerdings weiß sie, dass auch noch ein Kumpane des Raubmörders auf seinen Anteil hofft.

Spannend und wie immer bei Håkan Nesser psychologisch ausgefeilt liest sich dieser Roman in drei Teilen, in denen Menschen hoffen, kämpfen und auch enttäuscht werden.