Anna Schneider: Grenzfall – In den Tiefen der Schuld, TB, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024, 398 Seiten, €12,00, 978-3-596-70819-2

„Denn das war das andere, was immer stärker an ihm nagte: das Gefühl, dass Rozas Weste vielleicht nicht ganz so rein war, sie er es sich wünschte. Die aufkeimenden Zweifel an ihrer Person machten ihn verrückt. War er ihr gegenüber aus Loyalität tatsächlich vollkommen blind?“

Der sechzigjährige Bernhard Krammer, knorriger Ermittler beim LKA Innsbruck und neuerdings auch Vater der deutschen Ermittlerin Alexa Jahn, vermisst seine langjährige berufliche Partnerin Roza Szabo. Nach intensiver Polizeiarbeit, u.a. auch bei der Schleierfandung in Ungarn hatte Roza ihre Dienststelle gewechselt und arbeitet nun in Innsbruck. Doch warum hat sie ohne Mantel und Tasche plötzlich das Büro verlassen? Verdächtig, auch wenn Roza alles heruntergespielt hat, waren die Anschläge auf ihre Person. Immerhin hat ihr jemand eine Briefbombe geschickt und die Muttern von ihren Autoreifen gelöst. Doch nun ist Roza unauffindbar und Krammer hofft auf die Hilfe seiner Tochter und ihres Kollegen Florian Huber aus Weilheim. Als Krammer dann in Rozas Wohnung steht, wundert ihn schon, dass er sie nie besucht hat und er zweifelt eher an sich, wie groß eigentlich sein Interesse an seinen Mitmenschen, einschließlich seiner Tochter, ist. Aufbrausend und sehr spontan sind Vater und Tochter und so geraten sie bei diesem Fall, der möglichst nicht an die Öffentlichkeit gerät, ständig aneinander. In der Wohnung von Roza finden die Polizisten eine männliche Leiche, die schön drapiert abgelegt wurde und eine Tauchermaske trägt. Außerdem taucht der Name Krisztina auf. Die Maske führt die Ermittler zu einer Tauchschule an den Walchensee. Hier hat sogar ein Zeuge mit Roza gesprochen. Ein weiterer Unfall, wobei auch wieder alles nicht mir rechten Dingen zugeht, wird Alexa zu Anja Nickl und ihre Tochter führen, die gemeinsam mit Roza gesehen wurden.
In einem kursiven Text erzählt eine unbekannte Frau von ihrer Kindheit und Jugend, die von sexuellem Missbrauch und Gewalt geprägt ist. Nach schweren seelischen Qualen und Schlägen beschließt diese Person die Familie zu verlassen und rutscht in die Prostitution. Aber sie lernt auch eine andere Frau kennen und glaubt, endlich eine Seelenfreundin, einen Menschen gefunden zu haben, der sie versteht. Als ausgesprochen attraktive Frau wird die Erzählende zur Frau eines extrem reichen Kriminellen, der in Drogen- wie Waffengeschäfte und Menschenhandel verwickelt ist und sie in einem goldenen Käfig gefangen hält.
Nach akribischer Polizeiarbeit kommen die Ermittler auf deutscher, österreichischer und ungarischer Seite immer näher an Rozas Geschichte, die natürlich mit ihrer Vergangenheit zu tun hat, heran. Interessant ist, dass Spürhunde sogar vom Wasser aus in die Tiefe eines Sees riechen und somit auch Leichen aufspüren können. Krammer reist ins Burgenland und will mit Rozas ehemaligem beruflichen Partner Georg Holzner sprechen. Auch er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, wobei sich erst im Nachhinein herausgestellt hat, dass das Auto manipuliert wurde.
Äußerst spannend liest sich dieser verzwickte Fall, der allerdings Bernhard Krammer in Bezug auf seine Tochter Alexa und sein eigenes Leben zu einigen Erkenntnissen bringt. Wie immer verknüpft Anna Schneider in ihrer gut konstruierten Handlung private Aspekte der Ermittler mit akribischer Polizeiarbeit, die nie langweilt.