Stephanie Bishop: Der Jahrestag, Aus dem Englischen von Kathrin Razum, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2023, 464 Seiten, €26.00, 978-3-423-28346-5

„Jetzt endlich begriff ich, wenn auch vielleicht zu spät, was ich für ihn gewesen war, und womöglich war ich es immer noch – eine jüngere künstlerische Stellvertreterin, die kein Recht auf Überlegenheit hatte. Ein Vehikel für seine Triebe und Wünsche, seine rechte Hand, ja seine Lektorin. Ich wiederum hatte ihn als Wegbereiter betrachtet, als den Mann, der mich zur Bedeutsamkeit geleiten würde, meinem großen Ziel.“

J. B. Blackwood heißt die Ich-Erzählerin, die als Autorin für einen großen internationalen Preis in New York nominiert wurde. Sie ist Anfang 40 und lebt mit ihrem sechzigjährigen Mann Patrick Heller, einem bekannten Regisseur und Drehbuchautor in London. Kennengelernt haben sich beide an der Universität. Er war ihr Professor und sie die Studentin. Kinderlos und ehrgeizig orientierte sich beider Leben nur auf die Arbeit. Jeder unterstützte den anderen und scheinbar war dies ein Arrangement, mit dem das Paar gut zurechtkamen. Doch nach vierzehn Jahren Ehe kriselt es. Zum Hochzeitstag und als Überraschung, von der Patrick nicht begeistert ist, hat die Erzählerin eine Kreuzfahrt ab Alaska Richtung Beringsee und Japan organisiert.

Die australische Autorin Stephanie Bishop lässt ihre Hauptfigur detailversessen immer wieder in ihrem Gedankenstrom in die Vergangenheit zurückgehen. Früh hat die Mutter die Familie verlassen, die Erzählerin hatte kaum Kontakt zu ihrer in Australien lebenden Schwester May und ist nicht zur Beerdigung ihres Vaters, mit dem sie zerstritten war, angereist. Die Romane der Autorin beruhen verfremdet auf Geschehnisse in der eigenen Biografie, sind somit autofiktional, was ja momentan ziemlich angesagt ist.

Als Patrick dann in einem heftigen Sturm völlig betrunken und wütend über Bord geht, nachdem er sich ernsthaft mit der Erzählerin gestritten hat, bleibt die Geschichte rätselhaft. Trotz genauesten Beschreibungen aller Handlungen bleibt offen, was Patrick zur Erzählerin gesagt und wie sie wirklich gehandelt hat.

Schnell berichtet die Presse über den Tod Patricks und seltsamerweise geht die Erzählerin ihren Pflichten als bekannte Autorin nach. Sie fährt zur Preisverleihung, nimmt an Veranstaltungen teil und tritt sogar in Australien, als sie dann doch ihre Schwester aufsucht, im Frühstücksfernsehen auf, um sich darüber zu wundern, wie persönlich privat die Fragestellungen der Moderatoren sind.

Die Erzählerin fühlt sich permanent körperlich unwohl, was sie zuerst der psychischen Belastung zuordnet, dann aber feststellt, dass sie schwanger ist. Ein Zustand, den sie immer zu Patricks bedauern, abgelehnt hat. Immer mehr treten all die Konflikte zu Tage, die das Paar privat wie beruflich über Jahre ausgetragen hat. Immer spannender wird die Geschichte, denn aufgrund von Videos, die von Passagieren auftauchen, wird es ein Ermittlungsverfahren gegen die Erzählerin geben und letztendlich einen Gerichtsprozess.

Spannend liest sich dieser Ehe- wie Künstlerroman, der allerdings auch nicht frei von Klischees ist.

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