Gerhard Henschel: Soko Heidefieber – Ein Überregionalkrimi, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020, 284 Seiten, €18,00, 978-3-455-00833-3

„Endlich wieder daheim! Und schön weit weg von all den Luschen, die im Bundeskriminalamt ihre seelischen Deformationen auslebten…“

Wer Regionalkrimis über alles liebt, sollte diesen Roman nicht zur Hand nehmen.
Wen allerdings die Omnipräsenz der Regionalkrimis in Buchhandlungen oder in gefühlt hunderten Verlagsvorschauen in jedem Frühjahr oder Herbst, ob nun auf Papier, als E-Book, Audiobook oder im Fernsehen nicht nerven, kommt bei dieser kuriosen, bluttriefenden Geschichte voll auf seine Kosten.

Alles beginnt mit einer Lesung in Bad Bevesen aus dem neuesten Werk von Armin Breddeloh, dessen Kriminalromane „Heideblut“, „Heidejagd“ oder „Heidefieber“ sich verkaufen wie geschnitten Brot, wie so gern von Verlagen behauptet wird. Ob diese Krimis ja eher durch Masse als Qualität auffallen, gut geschrieben sind oder sich durch eine Stilblüte nach der anderen und grausam konstruierter Mordmethoden hervortun, egal. Hauptsache, die Leute glauben, dass dies gute Unterhaltung ist und kaufen die Bücher. Das mag Literaturkritiker ärgern oder diejenigen, die auch gern solche Bücher schreiben und doch keinen Verlag für ihre Machwerke finden. Hinzu kommt, dass viele beschauliche wie friedliche Orte oder Regionen, in denen alle möglichen Mafiaclans aus Europa oder Südamerika, Auftragskiller, Kettensägen-Mörder oder Flammenwerfer zum Zuge kommen, enorm an Attraktivität gewinnen. Jede Lokalpresse hat endlich wieder ein dankenswertes Thema. Allerdings müssen alle Regionalkrimi – Schreiber der zweiten Reihe seit dieser Lesung von Armin Breddeloh um ihr Leben bangen, denn ein Serientäter, aus welchen Gründen auch immer, rächt sich. Er wählt ganz gezielt Krimiautoren aus und tötet sie genauso, wie sie in ihrer Fantasie ihre Opfer vom Leben zum Tod befördert haben. Bei Armin Breddeloh schneidet der Täter dem armen Autor die Kehle durch, entfernt die Augen und ersetzt diese durch Glasaugen. Andere Autoren werden mit eisigen Feuerzangen zu Tode gequält und in Münster in einem Käfing an einer Turmspitze aufgehängt, aus Helikopter gestoßen, von Wölfen auf einer Hallig zerfleischt oder ein Autorenkopf landet in einem großen Glas. Je gruseliger die Tötungsmethoden je aufwendiger die Vorbereitung eines offenbar lesefreudigen wie intelligenten Mörders, der nicht eine Spur hinterlässt.

Hauptkommissar Gerold Gerold und Oberkommissarin Ute Fischer übernehmen den Fall und finden sich geringe Zeit später im BKA in einer 80-köpfigen Sonderkommission wieder, da sich der Täter in allen möglichen Regionen Deutschlands austobt. Die SOKO Heidefieber ist gegründet. Leider erleben die beiden Kommissare, die sich unsterblich ineinander verlieben, eine Reihe von unfähigen Kollegen bei der Arbeit. Nicht nur Krimiautoren, die sich auf eine bestimmte Region und deren kriminelles Potential eingeschossen haben, strotzen nur so vor Eitelkeiten und Selbstverliebtheit, auch die intriganten Ermittler sind zerfressen von Ehrgeiz und Dummheit. Natürlich müssen auch die Kommissare sich durch irgendeine Macke von anderen unterscheiden. Hauptkommissar Gerold Gerold versucht sich an lyrischen Versen mit mehr oder weniger Trefferquote bei den Reimen. Oberkommissarin Fischer übernimmt die wirkliche Detektivarbeit und scheut nicht davor zurück, auch mal mit dem Einsatz ihres attraktiven Körpers voranzukommen. Sie jedenfalls geht dem richtigen Hinweis von einem ehemaligen Autonomen aus Berlin nach und wühlt sich durch Akten, was nicht sonderlich spannend ist, zumal die Herren Ermittler sich lieber in sinnlose Actionszenen werfen und Steuergelder verbrennen. Natürlich berichten Presse und Fernsehen über die blutige Spur des Täters und in den sozialen Medien häufen sich die Hassmails gegen die Polizei und die sogenannten Experten.
So wagt es Autor Frank Schulz, den es ja auch wirklich im realen Leben gibt, von „angewandter Literaturkritik“ zu sprechen und schon ist die Meute ihm auf den Fersen. Als er sich in den Griechenland-Urlaub verabschiedet, blühen ihm „unvergessliche Tage“. Auch wenn sein alter Verleger Gerd Haffmans (zweiter Klarname) den verschwundenen Schulz suchen soll, wird dieser durch Wichtigeres abgelenkt.
Ein besonderes eifriger um sein Leben fürchtender eitler Kotzbrocken namens Waldemar König taucht immer wieder auf. Er initiiert sogar eine Videokonferenz mit Stephen King, der sich so gar nicht für die Lage der deutschen gefährdeten Krimiautoren interessiert.

Wie in vielen Krimis wird auch bei Gerhard Henschel genüsslich gespeist und je nach Region mit den wunderbarsten Ortsnamen in den herrlichsten Dialekten, die ab und zu kaum zu verstehen sind, gesprochen.

An vielen Stellen kann der Leser herzlich lachen, besonders dann wenn Kommissare „strullen“ gehen oder andere seltsame Dinge veranstalten.

Sicher haben Polizeibeamte noch nie so viel gelesen wie bei diesem Fall. In kursiver Schrift erscheinen die passenden Passagen mit ausführlichen blutigen Details zu den Mordfällen.

Hier konnte sich Gerhard Henschel so richtig austoben und auf witzige Weise die Schwächen des Genres parodieren.