Carola Saavedra: Blaue Blumen, Aus dem Portugiesischen von Maria Hummitzsch, C.H.Beck Verlag, München 2015, 232 Seiten, €18,95, 978-3-406-67567-6

„Ich schreibe dir, damit du mich liest. Ganz einfach. Damit du mich liest und zurückblickst, damit du mich liest und denkst, dass es etwas verblüffend Schönes in mir gibt, etwas, das du nicht gesehen hast, etwas, das unbemerkt an uns vorbeigegangen ist. …. Ich schreibe dir damit du mich liest und liebst.“

Eine Frau, die mit A. unterzeichnet, schreibt an ihren Liebsten, den sie auch so anredet, Briefe. Lange Briefe. Sie kommen bei Marcos an, der aber nicht der richtige Empfänger ist. Neugierig auf das Geschriebene, wer verfasst heute noch Briefe, öffnet er und liest, zuerst mit einem Unbehagen, aber dann mit steigender Lust.
Marcos fühlt sich unsicher. Seine dominante Frau hat sich von ihm getrennt und nun muss er sich jedes Wochenende um die gemeinsame dreijährige Tochter Manuela kümmern. Aber Marcos kann zu dem Kind keine Beziehung aufbauen. Seine Frau, eine erfolgreiche Innenarchitektin wollte die Hochzeit, sie wollte ein Kind und war enttäuscht, als er sich nicht freute. Marcos hat Ewigkeiten gebraucht, um seine Frau im Krankenhaus zu besuchen.
„Die Dinge geschahen, ohne dass er auch nur die geringste Kontrolle gehabt hätte, dachte er. Immer gab es jemanden, der die Entscheidungen für ihn traf.“

Auch seine neue Freundin, eine gutaussehende im Leben stehende Frau, drängt ihn zu Taten und Handlungen, die ihm nicht gefallen. Marcos hat den Eindruck, er kann machen, was er will, er wird nie den Ansprüchen der Frauen gerecht und sogar seine kleine Tochter betrachtet ihn bereits mit skeptischen Blicken.
In diese Lebenssituation platzen nun die neun Briefe, in denen die Schreiberin über ihre Trennung reflektiert und schreibt, trotz aller Demütigungen durch den Geliebten, würde sie ihn gern zurückhaben. In dieser Beziehung bestimmt er die Regeln, nervt sie mit seiner Passion für frisch gemahlenen Kaffee und wird auch, wenn ihm etwas nicht passt stumm oder handgreiflich.

Marcos versinkt in den Briefen und langsam werden sie zu einer Obsession, der er sich nicht mehr entziehen kann. Er vernachlässigt seine Arbeit, kann nicht mehr schlafen, beobachtet das Postamt, in der Hoffnung, sie und ihre blauen Briefe zu sehen. Er forscht nach seinem Vormieter, denn nur dieser kann als Ansprechpartner gemeint sein. Aber auch hier läuft die Geschichte ins Leere. Es ist das Unausgesprochene, das Rätselhafte, Geheimnisvolle, das die Handlung vorantreibt.

Zwischenmenschliche Beziehungen mit all ihrer aufbauenden wie zerstörerischen Kraft interessieren die eigentlich aus Chile stammende Autorin, die mit drei Jahren mit ihrer Familie nach Brasilien zog. Carola Saavedra ist eine Reisende, die in Spanien, Frankreich und Deutschland über längere Zeit zu Hause war.

Die Autorin spielt eindeutig ein Spiel mit dem Leser, er ist gefragt, für ihn sind viele Leerstellen eingebaut, die er mit seiner Imagination und seinem Ideenreichtum füllen soll. Dabei verfügt Carola Saavedra über eine kunstvolle Sprache, die besonders in den Briefen zum Tragen kommt.