Jessica George: Maame, Aus dem Englischen von Stefanie Retterbusch, btb Verlag, München 2024, 478 Seiten, €18,00, 978-3-442-75975-04

„Ich bin eine Meisterin der Assimilation, wobei mein schlechtes Gewissen mir gleich eins auf die Mütze gibt, weil das nicht unbedingt etwas ist, worauf man stolz sein sollte. Mein ganzes Berufsleben lang bewege ich mich schon in einer überwiegend weißen Umgebung. … Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, mich kleinzumachen, nicht zu laut zu sein, nur über Dinge zu reden, mit denen ich mich auch wirklich auskenne.“

Namen haben in Ghana große Bedeutung und so verbinden sich mit dem Namen Maame gleich drei: die Verantwortliche, die Frau, die Mutter. Doch die fünfundzwanzigjährige Ich-Erzählerin Maame, eigentlich Madeleine, hasst ihren Namen, denn sie beinhalten alle Anforderungen, die die Eltern ihr auferlegen. Bereits mit zwölf Jahren kümmert sich das Kind Maame um sich selbst, denn ihre Mutter reist immer wieder nach Ghana, um dort eher erfolglos ein geerbtes Hostel zu führen.
Zwar hat Maame einen Vater und älteren Bruder, aber eigentlich ist sie immer auf sich gestellt. Sie absolviert ihre Schule in London, geht auf die Universität und beendet diese mit einem Abschluss in Englischer Literatur. Sie hält ihr Geld zusammen und kümmert sich um ihren an Parkinson erkrankten Vater. Da Maames Mutter ihr eingebläut hat, dass alles was Familie angeht, auch in der Familie bleibt, hat Maame nicht viele Freundinnen. Verhält die Mutter sich einerseits weltoffen und rät der Tochter, die noch Jungfrau ist, endlich mal auszugehen und sich eine Wohnung zu suchen, so ist sie auch übergriffig, wenn es darum geht, der Tochter Vorschriften zu machen, sie über Gott zu belehren und sie um Geld zu bitten, wenn bei ihr der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht. Bruder James hält sich aus allem raus, er unterstützt weder seine Schwester, noch sorgt er sich um Vater oder Mutter. Doch wie ein treues Schaf, dabei müde und depressiv, erledigt Maama alles was die Mutter fordert und sie geht ihrer Arbeit nach, die sie weder fordert, noch interessiert. Um sich im Leben zu orientieren, ist Google Maames bester Ratgeber und sie liebt es Listen anzufertigen. Auch WhatsApp Nachrichten tauscht sie mit den wenigen Freundinnen aus, die nicht wissen, dass bei Maame zu Hause ein kranker Vater und sein Pfleger aus dem Jemen sich aufhalten.
Als die offenbar völlig überforderte Chefin Maame entlässt, wehrt sich die junge Frau nicht gegen die ungerechte Behandlung. Sie findet schnell eine schlechter bezahlte Arbeit in einem Sachbuchverlag. Auch hier soll sie nur einen Organisationsjob übernehmen, hofft aber doch sich inhaltlich einbringen zu können. Als sie immer öfter originelle Ideen für Buchprojekte liefert, eignet sich diese ihre Chefin an. Maame findet in einer WG ein Zimmer und einen Mann, der sie bekocht und zu lieben scheint. Allerdings war dies ein Irrtum, denn Maame lernt schnell seine weiße Freundin kennen, die sie von oben herab abkanzelt. Als dann plötzlich Maames Vater stirbt, scheint Maame über den Kummer seines Todes zu neuen Kräften zu kommen. Dabei hatte sie zu ihrem Vater kaum ein inniges Verhältnis. Auch die Mutter ist nur am Weinen, wobei sie schnell dafür sorgt, dass die Tochter, die Panikattacken erleidet, wenn die Mutter sich nähert, fast alle Kosten für die Beerdigung tragen soll. Maame gelangt langsam an einen Punkt, die Familie, die ihr, der jüngsten, nie Aufmerksamkeit geschenkt hat, zur Rechenschaft zu ziehen. Weiterhin stellt sich heraus, dass, und James weiß es, die Mutter einen Freund hat. Maame muss nun ihre eigenen Entscheidungen treffen und sie wird aus all ihren Konflikten, auch mit Hilfe einer Therapeutin, gestärkt hervorgehen.

Scheint die Gesellschaft auch im Arbeitsbereich immer öfter auf Diversität zu achten, so kann Jessica Georges literarische, sehr sympathische Hauptfigur doch kaum beruflich kreativ Fuß fassen. Bei ihrer Suche nach der eigenen Identität und dem Weg, den sie gehen will, stößt sie an Hindernisse und vermag, diese zu überwinden.

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