Katherine Paterson: Gilly Hopkins – Eine wie keine, Aus dem Amerikanischen von Sibylle Schmidt, Sauerländer Verlag, Frankfurt a.M. 2015, 205 Seiten, €12,99, 978-3-7373-5168-3

„Ich brauche von niemandem Hilfe außer von dir, Courtney. Wenn ich dir schreibe, wenn ich dich darum bitte – holst du mich dann ab? Du bist der einzige Mensch auf der Welt, den ich brauche. Ich werde dir guttun, du wirst schon sehen.“

Die elfjährige Galadriel, kurz Gilly genannt, ist ein schwieriges Mädchen und davon kann ihre Sozialarbeiterin Miss Ellis ein Lied singen. Gilly wechselt seit ihrem dritten Lebensjahr von einer Pflegefamilie zur nächsten. Schnell hat das Mädchen erkannt, wenn sie sich irgendwo häuslich niederlässt, ihre Pflegemutter vielleicht sogar noch „Mum“ nennt, dann wird sie enttäuscht und wieder alleingelassen. Zieht die Familie fort, dann muss Miss Ellis wieder eine neue Familie suchen. Gilly ist ein zutiefst gekränktes Kind, seiner Umwelt gegenüber manipulativ, frech, hochintelligent, schlagfertig und voller seelischer Abgründe. Ihre Sehnsucht gilt allein ihrer wahren Mutter Courtney, einer Hippiefrau, die ihr zwar Postkarten schreibt, ihre Tochter aber nie sehen will, geschweige denn für sie sorgen oder irgendeine Verantwortung übernehmen.
Als Gilly erneut umziehen muss, hat das wieder seinen Grund. Gilly powert sich in der Schule total aus, sie entert sich an die Spitze der Klasse und dann enttäuscht sie ihre Lehrer, die gleich ein Heer an Psychologen auffahren. Schuld an Gillys Verhalten haben dann die Pflegeeltern und der Ärger ist vorprogrammiert.

Dieses Kind ist einfach unerträglich, sie ist boshaft, niederträchtig, mutig, stark und einfach unglaublich traurig.
Bei ihrer neuen Pflegemutter Mrs Trotter, einer extrem dicken, wie unbeweglichen, aber liebenswerten Frau soll ein Neubeginn gestartet werden. Wieder eine neue Umgebung, wieder eine neue Klasse. Doch diesmal ist Gilly, die sich für einmalig hält, im Unterrichtsstoff weit zurück.
Sie muss ziemlich ackern, um an die Spitze der Besten zu gelangen. Doch bei ihrer Lehrerin Mrs Harris beißt Gilly auf Granit. Sie kann sie nicht provozieren, auch wenn Gilly gemein auf ihre dunkle Hautfarbe anspielt.
Bei Mrs Trotter lebt noch der verängstigte, kleine William Ernest, den die Pflegemutter mit ihrer Liebe überschüttet. Gilly ist von diesem ganzen Theater genervt. Und dann muss sie noch den fast blinden, ebenfalls farbigen Abendgast Mr Randolf abholen. Durch Zufall findet sie in seinem Bücherregal Geldscheine, die er offensichtlich vergessen hat.
Ein Plan reift. Gilly will zu ihrer Mutter nach Kalifornien reisen. Dazu muss sie Geld bei Mr Randolf finden und stehlen. Die Polizei jedoch greift Gilly auf ihrer Flucht auf und sie geht zurück zu Mrs Trotter, die um ihr Pflegekind, trotz dieses Vorfalls, wie eine Löwin kämpft. Auch William Ernest mag auf seine Weise die neue, starke „Schwester“, die ihm beigebracht hat, wie man sich wehrt, um nicht zu so einem Weichei zu werden.
Und dann macht Gilly einen entscheidenden Fehler, sie schreibt ihrer Mutter, wie schlecht es ihr bei Mrs Trotter geht.

Irgendwie besorgt schickt Gillys Mutter ihre eigene Mutter, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat, zu ihrem Kind. Und wieder muss Gilly ihren Wohnort wechseln, doch nun tut ihr ihre Boshaftigkeit, wie Verlogenheit und der Umzug zum ersten Mal richtig leid. Sie spricht sogar von ihrer Familie, die sie nun verlassen muss.
Aber dann kündigt sich endlich die Mutter von Gilly zu Weihnachten an und das Mädchen muss eine bittere Erfahrung machen.

Katherine Paterson erzählt von einem starken und doch tief gekränkten Kind, dass sich nur nach seiner Mutter sehnt. Sensibel und emotional gehemmt kann Gilly nicht mehr aus ihrer Haut. Sie kann einfach niemandem mehr vertrauen. Dass ihre Mutter sie nicht will, kann sich Gilly einfach nicht vorstellen. Die Wahrheit trifft sie um so härter, aber da hat sie zum Glück bereits Menschen kennengelernt, die sie lieben so wie sie ist. Die amerikanische, sehr bekannte Kinderbuchautorin hat zwar ein „Problembuch“ geschrieben, aber Gillys Geschichte hat auch ihre hellen, optimistischen Szenen, gerade dann wenn die Wahrnehmung des Mädchens kippt und sie plötzlich nicht mehr allein ist.