Ulf Kvensler: Der Ausflug – Nur einer kehrt zurück, Aus dem Schwedischen von Sabine Thiele, Penguin Verlag, München 2024, 464 Seiten, €17,00, 978-3-328-11081-1

„Da war sie, die Grenze. Ich hatte Jacob so lange unter Druck gesetzt, bis ihm seine hohlen Argumente ausgingen und er gezwungen war, seine wahren Karten zu zeigen. Es ging nicht darum, was das Beste für mich und Henrik war, es ging um Macht.“

Anna Samuelsson und ihr Freund Henrik leben in einer großzügig geschnittenen Wohnung in Stockholm. Die einunddreißigjährige Juristin traf den sieben Jahre älteren Henrik als Jurastudentin an der Universität. Er war bereits Dozent und beide mussten ihre Beziehung lang geheim halten.
Anna steigt nun ehrgeizig auf der beruflichen Karriereleiter immer höher, doch Henrik scheint sich gerade in diesem Sommer 2019 in einem privaten wie beruflichen Tief zu befinden. Vom Dekan bekam er die klare Ansage, dass er nicht Professor werden würde. Anna arbeitet sehr viel, auch an den Wochenenden, und sie verweigert auch nach zehn Jahren immer noch das Thema Kinder und geheiratet wird auch nicht. Und sie hat auch noch ihre jährliche Trekkingtour mit der gemeinsamen Freundin Milena in den September verschoben. Als Milena dann auch noch eine Woche vor dem Urlaub darum bittet, dass ihr neuer Freund Jacob mit auf die Tour kommen darf, zerstreiten sich Anna und Henrik wiedermal. Die Tour durch den Nationalpark Sarek ist nicht einfach, und vor allem muss man sich in der Wildnis und vor allem im herbstlich unberechenbaren Wetter auf den anderen verlassen können. Anna und Henrik stimmen dann doch zu und werden gleich am ersten Tag vom erfahrenen Jacob, der Milena über seinen beruflichen Hintergrund eindeutig angelogen hat, zu einer viel schwierigeren, aber doch landschaftlich fantastischen Tour überredet. Als Anna dann der Meinung ist, dass sie Jacob aus einem heftigen Prozess wegen häuslicher Gewalt kennen würde, beginnt der Urlaub mit hektischen Telefonaten. Anna hat sich auf Nachfragen dann aber wohl getäuscht und steigt in den Helikopter ein, was sie letztendlich als tragische Fehlentscheidung erweist. Anna und Jacob, die eindeutig die besseren Läufer sind, scheinen sich sympathisch zu sein, bis Jacob Anna nach ein paar Stunden äußerst übergriffig erklärt, dass sie beide eigentlich füreinander bestimmt sind. Anna ist empört und ahnt, dass sie mit einem ziemlich gestörten Narzissten ihre Tage weiterhin verbringen muss.

Ulf Kvensler lässt Anna zu Beginn als Ich-Erzählerin zu Wort kommen, wechselt dann aber immer wieder auch die Perspektiven. Weiterhin erinnert sich Anna an ihre erste Begegnung mit Henrik und es gibt Rückblicke auf Annas Familienbeziehungen, insbesondere die äußerst schwierige zu ihrem dominanten Vater. Kontinuierlich ziehen sich durch den Roman Zeugenbefragungen, die Kriminalinspektor Anders Suhonen feinfühlig und konzentriert durchführt.
Gleich zu Beginn der Handlung wird Anna unterkühlt und offenbar am Hals stranguliert von den Rettungsdiensten aufgefunden. Ihre Perspektive bestimmt über lange Strecken den Blick das Geschehen, dass sich aus Sicht von Milena, die ebenfalls gefunden wird, ganz anders anhört.
Deutlich wird jedoch, dass von außen betrachtet, alle Figuren ein erfolgreiches Leben führen, auch wenn Jacob seine Biografie offensichtlich schönt. Alle Fotos von Personen, u.a. Jacob, die in den sozialen Medien zu finden sind, berichten von Aktivitäten und glücklichen Zeiten. Die Bilder, die die vier von ihrer Tour posten könnten, würden von Streits und Zerwürfnissen berichten.
Auf der schwierigen Strecke gerät Henrik, der sich kaum auf die Trekkingtour vorbereitet hat, schnell aus der Puste. Da kein harmonischer Einklang zwischen den vier Teilnehmern entsteht und Jacob sogar heftig bei einem Spiel auf Henrik losgeht, beschließen Anna und Henrik sich von Milena, die ihrem Freund scheinbar hörig ist, und Jacob zu trennen. In dem bergigen Gelände verliert Henrik die Karte, das Wetter schlägt um, sie kehren um und treffen erneut auf Jacob und Milena und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Ausführlich und sprachlich überzeugend beschreibt Ulf Kvensler die malerische wie wilde Landschaft in Lappland und die Freude der Schweden am Wandern und Campen in der freien Natur. Psychologisch präzise entwirft er seine Handlung rund um vier Menschen, die äußerlich betrachtet alles haben und doch momentan an der Gegenwart verzweifeln.
Leider stimmt der Titel nicht so ganz, denn zum einen ist die Trekkingtour kein harmloser Ausflug und zurück kehrt nicht nur einer.