Adina Rishe Gewirtz: Zebrawald, Aus dem Englischen von Alexandra Ernst, cbt Verlag, München 2014, 256 Seiten, €14,99, 978-3-57016309-2

„Als ich ihn zum ersten Mal gewaschen und in sauberer Straßenkleidung sah, war ich überrascht, dass er wie ein ganz gewöhnlicher Mann wirkte. Wie jedermann.“

Der Zebrawald aus Birken und Eichen erstreckt sich vor dem Haus der elfjährigen Annie, die drei Wünsche äußert und die Ich-Erzählerin ist. Sie will unbedingt wachsen, endlich mal ein Abenteuer in den Ferien erleben und ihrem Vater begegnen. Allerdings kann das nie geschehen, denn die Großmutter hat erzählt, ihr Sohn ist tot. Früh hat die Mutter Annie und ihren zwei Jahre jüngeren Bruder Rew verlassen. Sehr unscharf in Erinnerung hat Annie die Szene als die Mutter ging. Sie, so sagte sie, will die Kinder nicht, der Vater jedoch hatte sie gewollt.

Einmal im Monat schaut Adele Parks vom Jugendamt bei Annies Familie vorbei, denn Gran schafft vieles nicht mehr, was doch früher so gut funktioniert hat. So essen die Kinder von schmutzigen Tellern und alles was Gran ansammelt, bleibt auch im Haus liegen.

Die Geschichte um Annie, Rew und Gran spielt im Jahr 1980, denn Annie schnappt immer wieder Informationen, sie selbst haben keinen Fernseher oder gar ein Radio, von der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran auf.

Annie und Rew verbringen viel Zeit miteinander, sie erzählen sich Geschichten von einem Vater, der vielleicht Hürdenläufer, Testpilot oder Geheimagent sein könnte. Eins beherrschen Gran wie Annie sehr gut, das Lügen erzählen. Immer wieder lesen die Kinder „Die Schatzinsel“ und philosophieren über die Rolle von Long John Silver, den beide insgemein ganz wunderbar finden.

Dann eines Tages in den Ferien steht ein Mann vor der Tür, ein entflohener Häftling aus dem in der Nähe gelegenen Gefängnis Enderfield. Es stellt sich heraus, dass der Eindringling Andrew Snow ist, der Vater der Kinder und der Sohn von Gran.

Gran hatte die Kinder angelogen, nicht der Vater wurde in einem Streit erschlagen, sondern er war es, der einen Mann aus Eifersucht umgebracht hat. Nicht mit Absicht, im Affekt. Andrew hält die Kleinfamilie nun als Geiseln im Haus, denn er hofft, dass die Polizei einmal vor der Tür steht, aber dann woanders suchen wird. Und so kommt es auch. Gran zieht sich in sich zurück. Rew ist voller Wut auf all die Lügen, die den Kindern erzählt wurden. Er beschließt, dass der Vater, der für ihn ein fremder Mensch ist, verraten werden muss. Als Annie Vorräte einkaufen gehen muss, schmuggelt sie einen Brief aus dem Haus, der an die Polizei gerichtet ist. Aber sie bringt es nicht fertig, den Brief einzuwerfen. Sie ist die einzige, die mit dem Vater ins Gespräch kommt, mit ihm kocht und das verschmutzte Haus aufräumt. Wortkarg ist der Mann, aber das Kind spürt, er ist kein schlechter Mensch. Rew rast als er erkennt, dass keine Hilfe zu erwarten ist.

Gut oder Böse gibt es einfach nicht, so wie es im Leben nie schwarz oder weiß zugeht. Annie und Rew müssen erkennen, dass die Großmutter mit ihren Lügen und auch der Namensänderung der Kinder sie nur schützen wollte. Die Geschichte ist düster, aber sie liest sich spannend und berührt. Der Leser ahnt, dass der Vater niemandem etwas tun würde. Er muss eine Entscheidung treffen, um den Kontakt zu den Kindern nicht mehr zu verlieren.