Anna Quindlen: Unsere Jahre in Miller’s Valley, Aus dem Englischen von Tanja Handels, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017, 314 Seiten, €20,00, 978-3-421-04758-8

„Mein Vater war tot, meine Mutter mehr als hundert Kilometer weit weg, meine Tante verließ ihr Haus nicht mehr, meine beste Freundin aus der Grundschule sah mich als Sünderin, und mein Freund hatte ständig zu tun. Von außen betrachtet, war es also nicht die beste Zeit meines Lebens. Und doch hatte ich zum ersten Mal seit Langem das Gefühl, irgendwie vorwärtszukommen. Ich trat nicht mehr auf der Stelle, ich war in Bewegung.“
Mary Margret Miller, kurz Mimi genannt, ist die Erzählerin dieser Geschichte, die sich über ein ganzes Menschenleben von der Mitte des 20. bis ins 21. Jahrhundert zieht. Sie ist in einem Tal in der Nähe eines Staudammes geboren, das gut 2500 ha Land umfasst und laut Regierungsbeschluss geflutet werden soll. Wie ein Damoklesschwert hängt diese Ankündigung gleich zu Beginn der Handlung über allen Figuren, die in dieser Geschichte vorkommen werden. Kämpfen die einen gegen den Verlust der Heimat, wie z.B. Donalds Großvater, so ziehen die anderen einfach davon. Donald und LaRhonda sind Mimis Kinderheitsfreunde, aber auch Donald wird nach dem Tod der Großmutter mit der Mutter, die sich kaum um ihn gekümmert hat, nach Kalifornien ziehen. Immer wieder treffen Karten und Briefe mit kurzen Texten bei Mimi ein, Versprechen den Opa und sie zu besuchen, die jedoch nie wahr gemacht werden. LaRhonda jedoch wird sich mit anderen Freundinnen Jesus Christus zuwenden und Mimi vergessen.

Mimi berichtet nach und nach von den Menschen, mit denen sie im Tal lebt. Der stille Vater arbeitet als Farmer und weiß, dass weder seine Söhne Tommy und Eddie noch Mimi das Land übernehmen wollen. Mimis pragmatische Mutter führt nicht nur zu Hause ein strenges Regiment, sie ist auch eine gute Krankenschwester. Mimi ist als Kind von ihrem Zimmer aus per Heizungsrohre ins Schlafzimmer der Eltern über alle familiären Probleme informiert. Trotzdem weiß sie nicht, warum Ruth, die Schwester der Mutter, im kleinen Haus auf der Farm lebt und nie ihr Zimmer verlässt. Dieses Geheimnis und die Feindschaft zwischen den Schwestern wird sich erst am Ende der Geschichte aufklären.

Als Tommy sich zur Marine meldet, herrscht in der Familie eine ungute Stimmung. Zwar wird er äußerlich wohlbehalten aus Vietnam zurückkehren, aber er ist nicht mehr der charmante und fröhliche Mann, der er einmal war. Sein Verhalten enttäuscht Mimi zutiefst, der Mutter zerreißt es das Herz. Und er wird kein guter Vater für Clifton werden. Tom hatte Callie als 17-Jährige geschwängert, Mimi und ihre Familie werden die junge Frau unterstützen. Mimi arbeitet als Kellnerin, sie ist die Ersatzmutter für Clifton und sie entdeckt ihre naturwissenschaftliche Begabung. Ihre Mutter ist es, die sie trotz Schlaganfall von Mimis Vater, sie dazu drängt das Tal zu verlassen und aus ihrem Leben endlich etwas zu machen. Eddie hatte seine Begabung genutzt, um nun als Ingenieur weit fort zu arbeiten. Auch wenn die Mutter mit ihm am Abend, da sind die Kosten nicht so hoch, telefoniert, bleibt er den Eltern fremd.

Und Mimi wird ihre erste große Liebe kennenlernen. Aber mit Steven wird sie keine Familie gründen, an die denkt sie erst, als sie per Zufall Donald über den Weg läuft.

Die Pulitzerpreisträgerin Anna Quindlen kann berührend erzählen und das macht diese Familiengeschichte, die sich von anderen nicht groß unterscheidet, so faszinierend. Es sind die Menschen, die Mimi in all ihren Eigenarten schildert, ihre Beobachtungen, die so subjektiv sind und doch so authentisch scheinen.