Katie Kitamura: Trennung, Aus dem Englischen von Kathrin Razum, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2019, 253 Seiten, €11,90, 978-3-423-14692-074

„Isabella und Mark würden mit dem Leichnam ihres Sohnes nach Hause zurückfahren und ihn beweinen, seinen gewaltsamen Tod, sein zu kurzes Leben. Aber was würde ich tun? Wie und um wen – Ehemann, Exmann, Geliebten, Verräter – würde ich trauern?“

Nur fünf Jahre hat die Ehe zwischen der Ich-Erzählerin und Christopher gehalten. Schon längst gehen sie in London getrennte Wege und doch bittet Christopher seine Exfrau, die Trennung noch geheim zu halten. Als Isabella, Christophers unnahbare Mutter, ihre Schwiegertochter anruft, kann diese nicht sagen, wo sich Christopher aufhält. Laut Informationen der überraschten Schwiegermutter seien die Eheleute momentan in Griechenland, aber der Sohn würde nicht ans Handy gehen. Die namenlose Erzählerin hat kein gutes Verhältnis zu den extrem wohlhabenden Schwiegereltern, die sie immer spüren lassen, dass sie nicht dazugehört. Isabella bittet die Schwiegertochter nach Gerolimenas auf Mani zu reisen, um Christopher zu suchen.

Aus dem Blickwinkel der Erzählerin, die psychologisch genau und auch mit Ironie jede Situation und jede Person durchleuchtet, aber auch Hintergrundinformationen liefert, begibt sich der Leser nun in den herben Süden des krisengeschüttelten Griechenlands. Er weiß inzwischen, das Christopher ein charmanter Fremdgeher ist und Bücher mit zum Teil Erfolg, aber ohne Tiefe schreibt. Zu Recherchezwecken ist er auf Mani, sein Buch soll sich um Trauerrituale drehen. Die Erzählerin arbeitet als Übersetzerin und lebt, was ihr anfänglich schon Probleme bereitete, inzwischen mit einem entfernten Kommilitonen von Christopher zusammen.

Die Erzählerin, die ihren Mann nun um die Scheidung bitten will, sucht nicht gerade enthusiastisch nach dem Exmann, dessen Attraktivität sie kaum mehr beeindruckt und seine Posen, die er einstudierte, um interessant zu wirken, schon gar nicht. Warum sie diese Fahrt überhaupt übernommen hat, bleibt ein Rätsel.
Durch Waldbrände ist die Umgebung des griechischen Ortes unzugänglich, das Meer stürmisch und voller Gefahren für die Schwimmer. Ist man zu den zahlungskräftigen Touristen freundlich, so spürt die Erzählerin doch die Verachtung des griechischen Hotelpersonals.

Im Hotel lernt sie eine junge Frau kennen, die offensichtlich in Christopher verliebt ist. Skrupellos setzt sich die sehr junge Hotelangestellte Maria an den Tisch der Erzählerin, fragt sie nach ihrem Mann aus und bestellt die teuersten Speisen.

An dem Tag, an dem die Erzählerin eigentlich abreisen will, findet die Polizei den erschlagenen und ausgeraubten Christopher, dessen gewaltsamer Tod nun den folgenden Handlungsverlauf bestimmen wird. Die Schwiegereltern reisen an und die Erzählerin steht vor der Frage, ob sie die in London gelebte Lüge aufdecken soll. Und natürlich will Isabella wissen, wer ihren Sohn getötet hat.
Die Erzählerin kann nicht umhin, unter dem Hotelpersonal Verdächtige auszumachen, besonders Stefano, ihr Fahrer, käme in Frage, denn er liebt Maria.

In dieser Geschichte wird gelogen, verraten, Mütter reden schlecht über die eigenen Söhne und die Erzählerin wird zur Witwe, obwohl sie innerlich und räumlich schon längst von ihrem Mann getrennt war.

Katie Kitamura kann wunderbar mit Sprache umgehen, präzise ihre Figuren beobachten wie beschreiben und zeitdiagnostisch einordnen. Ihren Namen muss man sich merken.