Stephenie Meyer: The Chemist – Die Spezialistin, Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer und Marieke Heimburger, Scherz Verlag bei S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, 624 Seiten, €22,99, 978-3-651-02550-9

„Wenn sie die nächste Woche überlebt und das Dezernat sie danach unverändert jagte, würde sie ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten bekommen. Es war nicht billig, alle drei Jahre ein neues Leben zu erfinden.“

Dr. Juliana Fortis ist eine kleine, drahtige, nicht sehr auffällige Frau um die 40 mit Kurzhaarschnitt. Wenn sie sich in einer Gruppe von Menschen aufhält, würde sie als harmlos, ja geradezu alltäglich erscheinen. Allerdings ist sie eine emotionslose Verhörspezialistin, die bei entsprechender Folter keine Spuren hinterlässt. Ihre Klienten jedoch reden, denn sie kann ihnen mit chemischen Mitteln enorme Schmerzen bereiten.

Doch nun ist sie in Ungnade gefallen und seit drei Jahren auf der Flucht vor einer Organisation, die eigentlich gar nicht existiert und verdeckt im Auftrag der Regierung Informationen sammelt. Der Kopf dieses Dezernats, Carston, hat nun Kontakt zu Juliana, die sich mal Alex oder Chris nennt, aufgenommen. Dabei tarnt sich die Spezialistin mit allen Tricks. Sie benutzt immer wieder neue Autos, Wohnorte und gibt über digitale Medien nichts von sich preis. Einerseits würde die Spezialistin gern wieder in den sicheren Schoß der Regierungsbehörde zurückkehren, andererseits weiß sie aber, immerhin wurde ein enger Mitarbeiter getötet und der Anschlag auf sie vereitelt, sie hat keine Chance. Trotz alle dem nimmt sie den Auftrag an und entführt den gut aussehenden Englischlehrer, Daniel Beach, der offenbar ein Doppelleben führt. In seinem angeblich verdeckten Leben arbeitet er für ein Drogenkartell, häuft Geld an und scheint in eine hochgefährliche Aktion von Terroristen verwickelt zu sein. Ein Virus soll in Umlauf gebracht werden, welches Millionen von Menschen töten wird. Die Spezialistin soll nun herausfinden, wo dieses Virus ist und wann es ausgesetzt werden soll.

Auch wenn der Spezialistin, die ihrem Opfer menschlich einfach zu nah gekommen ist, diese Arbeit nicht schmeckt, die Gefahr für tausende Leben ist zu groß. Allerdings muss sie während ihrer Arbeit, Daniel liefert nackt auf dem Seziertisch nicht eine Information, feststellen, dass sie einen Unschuldigen foltert. Als Daniels Zwillingsbruder Kevin auf der Bildfläche erscheint, er wurde eigentlich für tot erklärt, wendet sich das Blatt. Die Spezialistin erkennt, dass sie vom Dezernat erneut benutzt und in eine tödliche Falle gelockt wurde. CIA und Dezernat wollten Kevin und die Spezialistin aufeinander hetzen, damit beide den Tod finden. Daniel wäre nur ein Kollateralschaden.

Der skeptische Kevin, der bereits ziemlich entflammte Daniel und die vorsichtige Spezialistin werden nun Verbündete, wobei sich Daniel, der sich im Untergrund wirklich ziemlich tolpatschig verhält, und Juliana auch noch verlieben, was Kevin gar nicht gefällt.

Weder kompliziert, noch einfallsreich und somit leicht lesbar ist dieser Plot konstruiert. Nicht ganz sauber arbeitende Geheimdienste, eine Liebesgeschichte, unschuldiger Lehrer verliebt sich in eiskalte Chemikerin und Verhörspezialistin, und der Kampf gegen eine gefährliche Terrororganisation und ein tödliches Virus sind die Zutaten für diesen Actionthriller. Stephenie Meyer, bekannt geworden durch ihre Vampirschmonzetten, widmet sich nun einem neuen Genre und betritt eindeutig Neuland. Und doch geht es wieder um Leidenschaften und die vorbehaltlose Liebe. Im Zentrum steht eine einsame Frau, die hochintelligent und verletzlich ist und sich entgegen aller Vernunft verliebt. Gefühl steht Analyse gegenüber und wieder auf der Flucht wird der Leser in die rasante Achterbahn der Geschehnisse mitgenommen. Nicht sonderlich ausgefeilt ist die Figurenzeichnung, denn Daniel und auch Bruder Kevin werden eher holzschnittartig als ambivalent dargestellt und richtig romantisch oder irgendwie erotisch ist die Liebesgeschichte leider auch nicht. Mag dieser Roman ebenfalls ein finanzieller Erfolg werden, ein literarischer ist es jedenfalls nicht.