Nicholas Sparks: Seit du bei mir bist, Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke, Heyne Verlag, München 2017, 572 Seiten, €19,99, 978-3-453-26877-7

„Wieder wünschte ich mir, sie glücklich zu machen, aber dass mir das nicht gelang, hatte ihre Miene deutlich gezeigt. Denn nicht nur Wut hatte ich darin gesehen. Sondern auch Verachtung.“

Nur aus der ganz persönlichen Sicht von Russel Green erzählt Bestsellerautor Nicholas Sparks vom Lebensalltag einer amerikanischen Kleinfamilie in Charlotte, North Carolina. Russel und die überaus attraktive Vivian lernen sich kennen und heiraten 2007. Ein Jahr nach der Eheschließung ist Vivian schwanger. So schnell hatte Russel nicht erwartet Vater zu werden, aber nun ist es geschehen. Sicher würden sie, wenn Vivians Gehalt als PR-Frau wegfällt, finanziell etwas kürzer treten müssen. Aber Vivian denkt gar nicht daran, wieder arbeiten zu gehen. Sie widmet sich in allem ihrer Tochter, die auch noch London heißt. Das Kind muss kaum aus den Windeln heraus, Klavier spielen, Ballettunterricht nehmen, einen Kunstkurs besuchen und vor allem Tennis spielen. Volles Programm und voller Muttereinsatz für den Nachwuchs.

Russel kümmert sich darum allerdings erst als klar wird, dass er als Vater auch seinen Beitrag leisten musst. Als er seinen gut bezahlten Job in der Werbeagentur aufgibt, um seinem Rausschmiss zuvorzukommen, macht er sich mit wenig Erfolg selbstständig. Zu diesem Zeitpunkt, London ist bereits fünf Jahre alt, scheint seine Ehe und alles was nach außen dringt, fantastisch zu laufen. Ein Haus, zwei Autos, schicke Klamotten. Doch Vivian ist launisch, unzufrieden und irgendwie kaufsüchtig. Jeder Streit mit ihr endet in Türen schlagen, tagelangem Schweigen und halbherzigen Versöhnungen. Russel und Vivian führen keine richtigen Gespräche mehr, sie leben nebeneinander her und tauschen sich nicht mehr aus. Nicht anders kann man erklären, dass Vivian trotz schwindendem Bankkonto immer noch wie eine Weltmeisterin einkauft und behauptet, es seien Sonderangebote. Russel jedoch ist verzweifelt, was er auch beruflich unternimmt, er findet keine Kunden.

Vivian, auch hier keine Absprachen, bewirbt sich um eine Arbeit, bekommt diese auch und überlässt nun die Betreuung Londons ihrem Mann.
Russel erzählt parallel zu den Geschehnissen in der Ehe, auch von seiner Familie und seinen Erinnerungen an seine Kindheit. Er liebt seine Eltern mit ihren Eigenarten, liebt seine lesbische Schwester Marge und mag deren Lebensgefährtin Liz. Russel weiß, dass Vivians Eltern seine nicht achten und dass er auch nicht der rechte Schwiegersohn für ihre Tochter ist.
Für Russel, und das wird sich auch im Laufe der Handlung herausstellen, ist die große Schwester Marge die wichtigste Bezugsperson.
Nach und nach finden Russel und Vivian keine Worte mehr für ihr Zusammenleben. Er macht natürlich alles falsch, wenn er London betreut und sie ist die hart arbeitende Ehefrau, die die Familie ernährt und keine Kritik hören möchte.
Wie London all das verkraftet, wird in den ausführlichen Szenen zwischen Vater und Kind genauestens geschildert.
Aber nicht nur die Ehe von Russel wird den Bach hinuntergehen, es wird ihn noch viel härter treffen als geahnt.

Wenn Nicholas Sparks eine Familiengeschichte und das Scheitern einer Ehe voller Klischees konstruiert, dann liest sich das unterhaltsam und doch extrem eindimensional, denn der Leser erfährt nur, was Russel, die Hauptfigur denkt und wie er die Geschehnisse bewertet. Ist Vivian eine nur manipulative, egoistische Ehefrau? Ist Russel, was die Freiberuflichkeit anbelangt, einfach nur naiv? Wächst die Beziehung zu seinem Kind wirklich nur über das Gewähren von Fastfood und Dingen, die Mama nicht erlaubt? Der amerikanische Autor unterhält, keine Frage, und doch sind seine Figuren eher holzschnittartig in ihrer Charakterisierung und Handlungsweise gezeichnet. Nichts in dieser Geschichte kann den Leser überraschen. Oder will Sparks einfach nur das Leben abbilden? Mit Trennungen, Krankheiten, Hochs und Tiefs?

Allerdings schlägt Russel nicht wirklich auf dem Boden auf, weder finanziell noch existenziell, und er muss sich auch nicht aufrappeln, denn alles nimmt ihm wie immer seine ältere Schwester Marge ab, auch wenn es das letzte ist, was sie für ihn tun kann. Ärgerlich oder raffiniert ist dieser kitschige Buchtitel „Seit du bei mir bist“. Gut, man weiß, was man bekommt.