Sophie Bassignac: Familiäre Verhältnisse, Aus dem Französischen von Claudia Steinitz, Atlantik bei Hoffmann & Campe Verlag, Hamburg 2018, 129 Seiten, €13,99, 978-3-455-00128-0

„Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: anziehen, Koffer packen, ins Auto steigen, das Grundstück verlassen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.Wie gelähmt von diesem Impuls stand er im mitten im Zimmer.“

Sie hat schon so einige Kandidaten in die Flucht geschlagen, die Familie von Isabelle. Und so wird auch Pierre, Nachrichtenjournalist aus guter Pariser Familie und Isabelles neuer Geliebter und eventuell künftiger Ehemann nicht drumherum kommen, er muss ihre abgefahrene Familie kennenlernen. Erst wenn er diese Prüfung hinter sich gebracht hat und für gut befunden wurde, besteht eine Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft.

Und so fahren Isabelle und Pierre aufs Land. Alle Mitglieder der Familie Pettigrew werden sich so nach und nach einfinden, denn im August wird der 83. Geburtstag von Isabelles Großmutter Henriette gefeiert. Schnell wird Pierre klar, was auf ihn zukommt, denn die affektierte Henriette ist die „Antithese zur lieben Oma“. Pierre landet auf jeden Fall in der „Höhle des Löwen“, denn alle in dieser Familie sind absolut schräg. Sie sind extrem laut, reden ungeheuer viel, sind gebildet und vermitteln Pierre das Gefühl ständiger Mittelmäßigkeit. Wären da nicht Isabelles sexuell überschäumende Zuwendungen und sein Gefühl, sie sei die richtige Frau in seinem Leben, er würde diesem Albtraum sofort entfliehen. Pierre kann sich so gar nicht vorstellen, wie seine rationalen und pragmatischen Eltern mit den bunt schillernden exzentrischen Pettigrews auskommen sollten. Dabei hat Isabelles Mutter ein gutgehendes Geschäft aufgebaut. Und doch, diese Familie aus lauter Lebenskünstlern, die viel trinken, schreien und ständig in Bewegung sind, ist eine Herausforderung für jeden.

Als Pierre mit der gesamten Familie zum Baden fährt, spielt es keine Rolle, dass er keine Badehose hat. Am Ende cremt er sich nicht ein und fühlt sich tagelang wie ein Hummer. Aber nicht nur das, im Haus wird kein Computer geduldet, kein Handy und er wird beinahe von einem Stier umgerannt. Isabelles Mutter rettet Pierre mit ihrer roten Bluse, die sie sich geistesgegenwärtig vom Leib reißt, das Leben. Am Ende dieser gemeinsamen Woche muss jedes Familienmitglied und auch die die es werden wollen, anlässlich des Geburtstags etwas vorführen oder vortragen. Angstschweiß bricht bei Pierre aus, wenn er nur daran denkt. Als er dann auch noch feststellt, was hinter dem schlammigen Geschmack im Essen steckt, ist seine Geduld am Ende.

Doch ist das schon das Ende seiner Liebe zu Isabelle, die wirklich zum Anbeißen ist, obwohl sogar die eigenen Onkel und Tanten behaupten, sie sei wahnsinnig?

Sprachlich voller Witz schildert Sophie Bassignac eine Familie, die durch Pierres Blickwinkel mehr als seltsam wirkt. Kreativ, begabt und voller Ideen sind es die Pettigrews, die Isabelle Halt geben und ihre weiblichen Finessen befördern.