Thorsten Nesch: Die Kreuzfahrt mit der Asche meines verdammten Vaters, Rowohlt Taschenbuch Verlag, rotfuchs, Reinbek 2015, 333 Seiten, €9,99, 978-3-499-21699-2

„Doch ich hatte mir nie den Tod meines leiblichen Vaters vorgestellt. Rocco. Wozu auch? Sein Tod hätte keinen Effekt auf mich und mein Leben, nichts wäre unverrückbar anders danach, lediglich mein leiblicher Vater würde irgendwo umkippen wie ein Sack Reis in China, und die Welt würde sich normal weiterdrehen.“

Das ist schon eine verrückte Geschichte, die der 17-jährige Jörn erleben wird. Eigentlich wollte er in den Ferien mit einem Kumpel nach Holland radeln, aber dann steht plötzlich ein Fremder vor der Tür und alles kommt ganz anders. Allerdings hat der Kumpel auch abgesagt und Jörn verlockt vielleicht doch das Angebot des Fremden, mit einem Kreuzfahrtschiff allein im Mittelmeer auf Reisen zu gehen.
Der Haken an der ganzen Sache, Jörn soll während der Fahrt in Viaggio unter einem Olivenbaum die Asche seines Vaters Rocco begraben. Zum einen sind solche Aktionen eindeutig illegal, zum anderen hat Jörn diesen Vater nie gesehen, nie gesprochen, nie eine Karte von ihm bekommen und Unterhalt gezahlt hat „das Kriechtier“, wie die Mutter ihn nannte, auch nicht.
Rocco spielte also nie in Jörns Leben eine Rolle und sein Tod kann ihm somit nicht nahe gehen. Jörns Mutter, so scheint es, hat nicht viel Glück mit Männern. Immerhin hat Jörn zwei Geschwister und alle Kinder sind von unterschiedlichen Männern. Jörn hängt nun zwischen den Seilen, zum einen hätte er die zehn Tage Zeit, zum anderen wartet er, und hier wäre eine Abwechslung wirklich angesagt, auf die Zusage der Bundeswehr für einen Ausbildungsplatz als Mechatroniker.

Aber gut, die Reise ist mit allem Drum und Dran gebucht und ein Taschengeld ist auch noch dabei und zehn Briefe, die der Vater an den unbekannten Sohn geschrieben hat. Jörns Mutter hat nicht viel Geld und Rocco, der offenbar auch immer pleite war, hat diese Schifffahrt, die für ihn gedacht war, nun seinem Sohn überschrieben.
Jörn setzt sich in den Flieger und besteigt das Kreuzfahrtschiff. In seinem Gepäck befindet sich ein Rainmaker, ein Effektinstrument, in dem die Asche des Vaters deponiert ist. Da dieser Rainmaker wie eine Schlagstock aussieht, hat Jörn immer wieder Schwierigkeiten mit der Security.

Barcelona, Neapel, Korsika und Monaco stehen auf dem Reiseplan und kaum an Bord, lernt Jörn auch gleich Elizabeth, ein absolut attraktives Mädchen mit ziemlich reichen Eltern, kennen.

In einer Achterbahn der Gefühle durchlebt Jörn nun die erholsamen, sonnigen Tage an Bord. Wie sein Vater, den die See offenbar magisch angezogen hat, wird er auch bei Sturm nicht seekrank und einer der Barkeeper, Carlos, erkennt Jörn sogar als Roccos Sohn, denn es muss eine unverkennbare Ähnlichkeit bestehen. Aber Jörn hat wenig Lust sich auf den Vater und seine späten Bekenntnisse in den Briefen einzulassen. Zu tief sitzt der Schmerz über seine Abwesenheit und sein offenbares Desinteresse am Sohn. Es kann ihn nicht berühren, dass der Vater nun schreibt, dass er ihn immer geliebt hat.

Mit Elizabeth zusammen erobert Jörn Barcelona und bemerkt wie schnell er sich in dieses Mädchen verlieben könnte. So viel Glück hatte er an seiner alten Schule kaum. Als Elizabeth allerdings einen Brief von Rocco über Bord gehen lässt, sie weiß ja nicht, welche Bedeutung diese Zeilen für Jörn haben, entsteht eine erste richtige Unstimmigkeit zwischen den beiden. Vorsichtig versucht Jörn alles herunterzuspielen. Als Carlos ihn dann erkennt, erfährt Elizabeth vom toten Vater, den Briefen und letztendlich auch von der Asche.

Gemeinsam mit Elizabeth wird Jörn dann auch nach Viaggio reisen und nach einigen Querelen, die Asche seines Vaters begraben. Und er wird in dem kleinen Ort jemanden kennenlernen, von dem ihm ebenfalls niemand erzählt hatte.

In gewisser Weise stürzt diese Reise Jörn in eine Krise und äußerst dramatische Momente, auch wenn er versucht, alle Gefühle weit von sich zu weisen. Kann er den ersten Brief seines Vaters nur mit sarkastischen Kommentaren lesen, so setzt sich doch auch durch die Reise und die Gespräche über Rocco mit ehemaligen Freunden ein Bild zusammen, das nicht unbedingt negativ ist. Als Jörn dann jedoch mit seiner Mutter telefoniert und von ihr die ganze Wahrheit über die damalige Trennung wissen will, kippt dieser Eindruck wieder.

Thorsten Nesch, und das ist das wunderbare an diesem temporeich geschriebenen Jugendroman, gleitet nie ins Sentimentale ab. Er bleibt ganz nah an seinem sympathischen Protagonisten, der sich zum ersten Mal so richtig verliebt und gleichzeitig Entscheidungen treffen muss, die ihn fast aus der Bahn werfen.