Cay Rademacher: Stille Sainte-Victoire – Ein Provence – Krimi mit Capitaine Roger Blanc, Dumont Verlag, Köln 2023, 380 Seiten, €17,00, 978-3-8321-8187-1

„Blanc hatte das beunruhigende Gefühl, dass in diesem stillen Tal womöglich die Ursache verborgen war, warum Dallest und Gallo betötet worden waren.“

Vor dem Hintergrund des Montagne Sainte-Victoire, einst Motiv für viele künstlerische Arbeiten von Paul Cézanne und seinen Nachahmern, spielt dieser Krimi, der sich Orten widmet, die wirklich in dieser Landschaft existieren und beruflichen Tätigkeiten, die ernsthaft stattfinden.

Es ist ein warmer April. Unweit der Ausgrabungsstätten von Paläontologen, die speziell nach Versteinerungen von Dinosaurierknochen suchen, wird eine Leiche gefunden. Dem Ingenieur Roland Dallest wurde mit äußerster Gewalt ein fossiler Fangzahn aus der Kreidezeit in die Brust gestoßen. Gefunden wurde er von seiner beruflichen Partnerin, Samia Zerfaoui. Beide haben sich vor kurzem mit einem Büro für technische Gutachten selbstständig gemacht. Momentan arbeiten sie an einem Gutachten für den Staudamm am Lac de Bimont. Im Laufe der Ermittlungen, die Roger Blanc mit seinen Kollegen Marius und Fabienne führt, stellt sich heraus, dass Dallest der Zwillingsbruder von Professor Christian Dallest ist, der es als Paläontologe zu einigem Ruhm gebracht hat. Das Mordinstrument, der Saurierzahn, war ein Geschenk des Bruders. Auffällig ist, dass die Brüder sich fast gleich kleiden und beide einen sogenannten Indiana Jones – Hut tragen.

Naheliegend ist somit die Vermutung, dass vielleicht gar nicht Roland als Mordopfer gemeint war, denn der unscheinbare, sehr beflissene, allein lebende und wortkarge Ingenieur bietet so gar kein Motiv für einen Mord. Die Paläontologen hingegen, die sich mit ihren Arbeiten extrem Konkurrenz machen, scheinen da eher Rachegelüste zu hegen. Außerdem ärgern sich alle über Umweltschützer und vor allem über einen nervigen Influencer, Franck Garro, der abseits der legalen Wanderruten durch das Tal, neue Wege markiert und ins Netz stellt. Was die Wissenschaftler nicht mögen, sind Touristen, die über ihre Ausgrabungen latschen oder sich durch die Büsche schlagen. Auch Roland Dallest hatte sich mit dem streitbaren Gallo angelegt, da dieser mit seinen Wegbeschreibungen zu nah an den Staudamm gewagt hatte, den er begutachten sollte. Angezeigt hat ihn dann allerdings Samia Zerfaoui, der im Gegensatz zu den Frauen in ihrer Familie in vergangenen Zeiten eine beruflich interessante Karriere bevorsteht. Doch dann wird auch Gallo getötet. Die Waffe, mit der er in einer einsam gelegenen Kirche erschossen wurde, war eine Pistole, die Roland Dallest in einer schwarzen Tasche bei sich trug.

Je mehr die Ermittler sich nun den beiden Mordfällen widmen, um so mehr erfahren die Lesenden über die anstrengende Arbeit der Paläontologen. Der Widersacher von Christian Dallast ist Alphonse Péchenard, der seine Fundstücke nicht verkauft, sondern lieber in einem Museen ausstellen möchte. Doch wie finanziert man aufwendige Ausgrabungen? Die Ehefrau von Dallast, Marjorie, auch genannt die Zauberin, versteht es bestens dem bekannten Fossilienhändler Martini die besten Stücke gewinnbringend zu verkaufen. Allerdings scheint die Ehe zwischen Marjorie und Christian nicht sonderlich glücklich zu sein. Da Alphonse, der Ex-Freund von Marjorie, einen exorbitanten Fund getätigt hat, sagt Marjorie ihm Hilfe zu. Besessen von der Arbeit scheinen die Paläontologen sich mehr für die vor Jahrtausenden ausgestorbenen Dinosaurier zu interessieren, als für die Lebenden. Zumindest trauert niemand um Roland Dallast. Nur Capitaine Roger Blanc scheint ein Herz für ihn zu haben, denn er wird den Fall aufklären und herausfinden, warum es zu den Ermordungen kam.

Cay Rademacher versteht es, literarisch einen spannenden Plot zu konstruieren und zugleich interessant über, in diesem Fall die Arbeit der Wissenschaftler, die sich mit den ausgestorbenen Kolossen der Vergangenheit beschäftigen, zu erzählen. Nicht allzu viele Personen treten auf und immer ist noch Zeit, auch ins Privatleben der Ermittler zu schauen. Die aufwendige Polizeiarbeit, die ja oft akribisch kleinteilig ist, aber kaum interessant, spielt am Rand auch eine Rolle. Und doch führt den ruhigen Robert Blanc dann ein Indiz auf die richtige Spur.

Wie immer unterhaltsame Handlung mit atmosphärisch genauen Beschreibungen!