Cynthia D’Aprix Sweeney: Unter Freunden, Aus dem amerikanischen Englisch von Nicolai von Schweder-Schreiner, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021, 352 Seiten, € 22,00, 978-3-608-98448-4

„Er hatte Flora nicht angelogen, ihr aber auch nicht die ganze Wahrheit erzählt. Den zweiten Teil der Geschichte – dass die einzige andere Person, die von dem Ring wusste, die von Sydney wusste, Margot war. Ihre beste Freundin.“

Flora und Julian Fletcher sind seit gut zwanzig Jahren zusammen und nach außen hin glücklich mit ihrem Familienleben und ihren Berufen in Los Angeles. Zwar sind beide als Schauspieler, Flora eher als Sängerin, nicht so bekannt, wie ihre gemeinsame Freundin Margot, aber sie haben ein ansehnliches Haus und vor allem eine vorzeigbare Küche, die Flora besonders liebt. Julian hat endlich eine ziemlich krisenfeste Rolle in einer Serie ergattert und Flora kann nach jahrelangen Mini-Rollen in Werbespots, mit denen sie die Familie zumindest in New York über Wasser gehalten hat, jetzt endlich eine sehr gute Synchronrolle in einer beliebten Musical-Serie übernehmen. Ihre Tochter Ruby, die einfach nie Probleme gemacht hat, wird in diesem Sommer ihre Schule beenden und aufs College gehen. Ruby weiß seit Kindertagen, nach dem Belauschen ihrer Eltern bei Gesprächen über existentielle Sorgen in der kleine dünnwandigen Wohnung in Manhattan, dass sie nie in einem künstlerischen Beruf landen will. Sie zieht die Naturwissenschaften vor.

Die amerikanische Autorin Cynthia D’Aprix Sweeney erzählt von den guten Freunden aus den Blickwinkeln von Flora, Julian, Ruby, aber auch Margot, ihrem Mann David, der als Arzt arbeitet und einen Schlaganfall erleiden wird, und der Geliebten von Julian, Sydney. Immer wieder kehren die Figuren in die Vergangenheit zurück und umkreisen ihre gemeinsame Zeit in Manhattan, in der einst Flora und Gloria, beide stammen aus italienischen Familien, sich eine kleine Wohnung teilten, man auf Partys ging und das Leben beginnen konnte. Zwar hört Flora oft die Stimme ihrer mahnenden Mutter, die aber mit der Zeit verstummt.

Als Flora dann jedoch in den untersten Akten den versteckten Ehering ihres Mannes findet, sie war auf der Suche nach einem Foto, dass sie für Rubys Abschiedsparty rahmen wollte, spürt sie erneut Wut auf ihren Mann. Sie ahnt, dass sie ihn zur Rede stellen muss, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Jahrelang hat Flora Julians Begeisterung für die freie Theaterszene unterstützt. Er hat mit seinem Freund Ben die Good Company gegründet, war auf der Suche nach Geld und Sponsoren für Shakespeare-Stücke. Der attraktive Julian hat die Gabe, Leute zu begeistern, Menschen um sich zu scharen, und auch unentgeltlich für sich arbeiten zu lassen. Flora spürt oft, dass sie, ob es nun um Julian oder Margot geht, immer einfach nur dazugehört. Wie viele Kompromisse geht man in Beziehungen ein, damit alles harmonisch läuft? Wie nah sind Menschen sich und vor allem, muss ich alles von der anderen Person wissen, mit der man zusammenlebt?

Einer Serie gleich, nicht dass Leute, die gern lesen nicht auch Serien lieben, spult sich diese gut geschriebene Geschichte in New York und Los Angeles vor dem inneren Auge der Leser und Leserinnen ab. Im Vordergrund findet Rubys Schulabschlussfeier in Margots Garten statt, im Hintergrund brodeln die Konflikte und Erinnerungen. Ruby wird mit ihrem Freund Ivan und dessen Familie nach Spanien reisen und Flora und Julian auf ihre Ehe zurückschauen und sich eventuell trennen.

Seltsamerweise liest man in den Empfehlungen des Verlages, dass „Unter Freunden“ der amerikanischen Autorin, die durch den Roman „Das Nest“ bekannt wurde, humorvolle Seiten hätte.
Diese sind allerdings schwer zu entdecken. Interessant ist eher der Blick hinter die Kulissen der Schauspieler, die wenig erfolgreich in diesem Business sind und sich glücklich schätzen müssen, in Krankenhausserien mitspielen zu dürfen. Zynisch wirkt dann eher, dass sich Margot nach zehn Jahren Arbeit am Set, einen Tod wünscht bei dem sie hoffentlich gut aussieht und nicht als Krebspatientin eine Glatze tragen muss.

Zu gern lässt man sich in diesen Roman fallen, denn er umkreist mit seinen sehr ambivalenten Figuren nicht nur die doch sehr speziellen Lebenswirklichkeiten von Freiberuflern, sondern auch Konflikte, die in langjährigen Freundschaften wie routiniert geführten Ehen entstehen können.

Absolut lesenswert!