John Jay Osborne: Liebe ist die beste Therapie, Aus dem Amerikanischen von Jenny Merling, Diogenes Verlag, Zürich 2018, 288 Seiten, €22,00, 978-3-257-07043-9

„Steve meinte, er hinge an Charlotte. Für sie war er eine Option. Die beiden mussten noch eine ganze Menge darüber lernen, wie man über Liebe spricht, ging Sandy durch den Kopf. Aber sie versuchten es wenigstens.“

Da sitzen die beiden nun in der Paartherapie bei Sandy in San Francisco und wissen an manchen Tagen eigentlich gar nicht so genau, was sie hier eigentlich sollen. Als herauskam, dass Steve nicht nur einmal eine Affäre hatte, setzte ihn Charlotte einfach vor die Tür. Allerdings hat das Paar zwei Kinder, Chris geht in die erste Klasse und Liv in den Kindergarten. Das Haus wurde verkauft und Charlotte lebt nun mit den Kindern in einer Wohnung. Steve hat eine kleine Wohnung bezogen. Beide haben hart um ihre beruflichen Positionen gerungen, wobei Charlotte mit ihrem Anstellung bei der Universität finanziell nicht so gut dasteht. Die Therapeutin Sandy beobachtet die beiden und ihre innere Stimme kann der Leser genauso vernehmen wie die Streitereien des Ehepaares.
In den Gesprächsanalysen, die darauf zielen, die Verstimmungen zwischen den beiden aus dem Weg zu räumen, um Klarheit über eine Scheidung oder keine Scheidung zu schaffen, kommt heraus, dass Charlotte tief gekränkt ist. Steve entschuldigt sich und kann doch nichts ändern.
Charlotte hat sich einen männlichen Tröster gesucht, der allerdings weit weg wohnt und auch noch verheiratet ist. Streitpunkt des Paares sind immer wieder die Kinder, für die Steve sich einfach keine Zeit nimmt und auch keine Verantwortung, laut Charlotte, übernehmen will.
Als er dann aber sein Angeberauto gegen ein Familienauto tauscht und dann auch andere Besuchsregelungen vorschlägt, ist Charlotte überfordert. Steve reduziert seine Arbeitsstunden, beginnt einen privaten Kochkurs bei der attraktiven Gabriella.
Zu gern möchte Charlotte aus Steve einen besseren Menschen machen und ist dann sauer, wenn sie glaubt, es erreicht zu haben und dann schnappt ihn sich eine andere Frau.

Doch wie kann man jemanden wirklich verändern? Wie unglaublich egoistisch sind Paare, die ihre Kämpfe über die Kinder austragen? Wie schwer ist es, sich dem Partner ehrlich zu öffnen?

Charlotte schiebt ihre Gefühle, so hat sie es gelernt, immer beiseite, zeigt sie nie. Sie pocht auf ihre Rechte und bringt die Therapeutin an den Rand des Wahnsinns, denn sie weiß nicht, was Charlotte eigentlich einklagen will. Steve ist ein Mensch, der es gewohnt ist, immer im Mittelpunkt zu stehen und auch hier scheiden sich die Geister.

Verletzungen, Schuldgefühle, Nervenzusammenbrüche, Hass und auch Liebe – alle diese Gefühle tauchen in den Paargesprächen auf. Charlotte will keine Patchworkfamilie, aber sie will auch, dass Steve leidet.
Alle Höhen und Tiefen in einer Paarbeziehung mit Kindern durchleben Charlotte und Steve gemeinsam mit Sandy, die mit den Konflikten der beiden mal konstruktiv, mal auch genervt umgeht. Mag die Ehe auf dem grünen Sessel im Raum dabeisitzen, ob sie für die beiden eine Option ist, bleibt offen. Auf einem guten Weg der Verständigung sind sie allemal.

Wer Kammerspiele und aufwühlende Ehegespräche mag, wird mit John Jay Osbornes Geschichte gut unterhalten.
Niemand erfindet hier etwas Neues und doch faszinieren immer wieder die altbekannten Konflikte und deren Lösungsansätze.