Katrin Burseg: Adas Fest, Diana Verlag, München 2023, 384 Seiten, €22.00, 978-3-453-29223-9

„Am Ende war es ihre Bildidee – und ihr Instinkt für den richtigen Moment. Sein psychologisches Gespür, die Seele seiner Bilder, war nichts anderes als ihr weiblicher Blick.“

Als Ada und ihr Mann, der berühmte Maler Leo Kwant, 1970 ihr Sommerhaus, das weiße Haus in den Dünen, kaum 100 Meter vom Atlantik entfernt gekauft haben, ahnten sie sicher nicht, dass es nun Jahre später vom Meer verschlungen werden könnte. Die vierundsiebzigjährige Ada weiß, dass dieser Sommer ihr letzter in Laplage-sur-Mer sein wird. Und darum hat sie sich gedacht, dass sie wie zu Lebzeiten ihres Mannes ein Sommerfest eine wunderbare Idee wäre. Angereist aus dem fernen Berlin schreibt Ada nun ihre Einladungen und trifft ihren alten Freund Vincent Flamant, der genau so wie sie jetzt allein lebt. Vincent, den Ada durch Leo kennengelernt hat, hat nach dem Tod seiner Frau Mathilde, seinem Adoptivsohn Joël sein Café Victoire übergeben, kann allerdings immer noch nicht so richtig loslassen.

Dieser Roman, der in der fantastischen Landschaft um Bourdeaux spielt, erzählt von Abschieden und von Geheimnissen, die irgendwann einfach keine Geheimnisse mehr sein sollen.

Denn Ada und Vincent verbindet nicht nur eine jahrelange Freundschaft, sondern auch eine kurzzeitige Liebesbeziehung, die nun wieder auflebt. In kurzen Rückblicken erinnert sich Ada, wie sie ihren Mann in Frankreich kennengelernt hat, wie sehr ihre spießigen Eltern diese Beziehung abgelehnt haben und wie die beiden dann doch geheiratet und drei Mädchen bekommen haben. Ada, die begabte Fotografin, und Leo, der ambitionierte Künstler hatten sich gefunden. Nach Leos Durchbruch als Maler jedoch zog der charismatische Mann auch eine ganze Reihe von Frauen an, deren Anwesenheit Ada dulden musste. Sie wusste immer, dass die Entstehung der Bilder ihres Mannes auch ihr zu verdanken waren und somit ein Teil ihrer eigenen künstlerischen Arbeit darstellten. „Leo Kwant, das sind wir beide“, sagte der Maler in den ersten Jahren noch, vergaß es jedoch mit dem ansteigenden Ruhm. Ada war froh über die finanzielle Unabhängigkeit und ihr Haus am Meer. Hier haben ihre Töchter Esther, Imme und Kiki die schönsten Sommer verbracht und hier erinnern sie sich an die Feste, bei denen der Vater immer der Fixstern war, um den sich alle drehten. Doch nun zweieinhalb Jahre nach Leos Tod taucht plötzlich in Esthers Galerie, sie kümmert sich um den künstlerischen Nachlass des Vaters, Felizitas Bertram auf, die Tochter einer einst bekannten Schauspielerin und behauptet im Zuge von #MeeToo, dass Leo ihre Mutter angeblich, laut den Aufzeichnungen in ihrem Tagebuch, missbraucht habe. Esther ahnt, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, wann Informationen im Internet, dem „Pranger des 21. Jahrhunderts“, erscheinen werden. Da sie momentan in einer Ehekrise steckt, reist sie viel zu früh ins Sommerhaus, stört die Zweisamkeit von Ada und Vincent und will angeblich die Zeichnungen ihres Vaters, die noch in der Malerwerkstatt sind, sortieren.

Niemand ahnt, dass Ada ihr Haus aufgeben will. Nur die mittlere Tochter Imme, die sich als Wissenschaftlerin an einer Antarktisexpedition beteiligt hatte, in der es um die Erforschung des Klimawandels ging, sieht, dass das Haus nicht mehr zu retten ist. Und dann reist auch noch die jüngste, stets fordernde Tochter Kiki zur Mutter, denn sie hat wiedermal ihren Job geschmissen und ihren Freund verlassen. Ihre innere Unruhe und ihr Gefühl, nicht richtig dazuzugehören, werden sich in diesem Sommer auflösen, denn ziemlich schnell erkennen auch die Lesenden, dass mit Kikis Geburt ein Geheimnis verbunden ist. Aber es kommt noch viel ärger als gedacht.

In durchaus faszinierendem Ambiente mit herrlichen Sonnenuntergängen, immer von Vincent versorgt mit gutem Essen und erlesenen Weinen, müssen die Frauen der Familie Kwant in diesem Sommer so einiges verdauen. Nicht nur der Abschied vom Sommerhaus und von der Lichtgestalt des Vaters gehört dazu, auch stellt sich heraus, dass Ada und Vincent mehr als ein Geheimnis vor den Kindern verbergen, dass nun gelüftet werden muss.

Unterhaltsame Sommerlektüre, leicht am Kitsch entlang schrammend mit fiktionaler Künstlerbiografie nebst Eskapaden und ein bisschen zu überladen, auch mit der französisch-deutschen Vergangenheit.