Jojo Moyes: Die Frauen von Kilcarrion, Aus dem Englischen von Karolina Fell, Rowohlt Verlag Polaris, 430 Seiten, €17,00, 978-3-499-26795-6

„ Nur deshalb sind sie doch so nett zu dir, hätte sie am liebsten zu ihrer Tochter gesagt, weil du dich völlig an sie anpasst. Es ist leicht für sie, nett zu dir zu sein, wenn du tust, was sie wollen. Kompliziert wird es erst, wenn du tust, was du willst.“

Die fünfunddreißigjährige Kate lebt als mäßig erfolgreiche Journalistin mit ihrer Tochter Sabine in London. Angespannt ist das Verhältnis der beiden, und das nicht erst seit die Mutter der Tochter mitteilt, dass sie ihren bisherigen Lebenspartner Geoff verlassen wird, um mit Justin zusammen zu sein. Sabine mit ihren sechzehn Jahren ist genervt von ihrer Mutter. Alles, was Kate veranstaltet, wird von ihr mit Missachtung gestraft. Um Sabine vor den Trennungsgesprächen zu schützen, soll sie eine Weile bei ihren Großeltern in Irland in Kilcarrion bleiben. Sabine erinnert sich kaum an ihre Großmutter oder ihren Großvater. Kate hat sie kaum besucht, und die Großeltern haben sich auch nicht um den Kontakt zu Sabine bemüht.

Jojo Moyers erzählt von den Schicksalen der Frauen multiperspektivisch, mal aus Sabines, dann wieder aus Joys und auch aus Kates Sicht.

Der Roman beginnt jedoch im Juni 1953 mit der Krönungszeremonie von Elizabeth II.. Joys Eltern leben in Hongkong und sind darauf bedacht, dass alles den gesellschaftlichen Regeln zufolge eingehalten wird. Besonders Alice, Joys Mutter, legt Wert auf Etikette. Joys ist genervt von dem ewigen Spruch, was sollen bloß die Nachbarn denken. Sie ist zu groß, zu unbeholfen, zu unangepasst. Doch dann interessiert sich Edward, ein junger Marineangehöriger für Joys. Beide verloben sich in Windeseile und heiraten. Dieses Paar, dessen Liebe nun über all die Jahre gehalten hat, sind die Großeltern von Sabine.

Sabine jedenfalls würde nach den ersten Tagen bei den Großeltern am liebsten wieder die Koffer packen. Die Großmutter holt sie nicht mal vom Bahnhof ab, denn der Gesundheitszustand ihres Lieblingspferdes ist wichtiger als die Ankunft der Enkelin, die sie nicht mal kennt. Schroff und hartherzig gibt sich die Großmutter und sie fordert von Sabine die Befolgung aller Regeln, die im völlig unterkühlten Haus üblich sind. Sabine ist entsetzt. Es gibt keinen Computer und nur einen Fernseher, der allerdings nur dem sehr kranken Großvater zur Verfügung steht. Für Sabine wurde ein Schimmel ausgeliehen, den sie aber nicht reiten möchte. Auch Kate hat sich nie fürs Reisen begeistern können. Wäre da nicht Thom, der sich etwas freundlicher um Sabine bemüht, wäre sie nie aufs Pferd gestiegen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung, Sabine hat aus Langeweile die Fotoalben der Großmutter durchwühlt, beginnen sich Joy und Sabine einander anzunähern.
Sabine kümmert sich sogar um den Großvater, der ihre Nähe zu schätzen weiß, denn seltsamerweise hält sich Joy kaum in der Gegenwart von Edward auf. Als dieser jedoch ins Krankenhaus eingeliefert wird und man mit dem Schlimmsten rechnet, reist auch Kate, die sich inzwischen von dem bindungsunfähigen Justin getrennt hat, an und ihr älterer Bruder Christopher mit Ehefrau Julia.
Kaum ist die Familie zusammen, explodieren die Konflikte. Kate, die sich immer noch in ihrer Lebensweise abgelehnt fühlt, und ihre Mutter gehen sich tunlichst aus dem Weg. Sabine und Kate tragen ebenfalls ihre Streitereien aus und Christopher und Kate können sich ebenfalls nicht zivilisiert unterhalten. Er wirft ihr nach all den Jahren, die sie nie in Irland war vor, dass sie nun anreist, um sich ihr Erbe unter den Nagel zu reißen.

Kurzum, Jojo Moyes erzählt von einer dysfunktionale Familie der allerschönsten Art mit leicht ironischen Kommentaren.

„Meine Güte, dachte Kate. Den Kurs in Leute-Herunterputzen hat sie bestimmt gleich zwei Mal hintereinander gemacht.“

Im Zentrum stehen die unerbittlichen Kämpfe zwischen Müttern und Töchtern über Generationen hinweg.
Hasste Joy an ihrer Mutter ihre oberflächliche und gesellschaftskonforme Denkweise, so kann Kate an Joy kaum ertragen, dass sie zu allem schweigt und nie die Tochter sehen kann, wie sie ist und einfach annehmen. Dass im Verhältnis der Großeltern zueinander vieles nicht stimmt, ahnt nicht nur die Haushaltshilfe, die zumindest zu Beginn den Versuch unternahm, für Sabine etwas zu tun.

Nirgendwo steht in Stein gemeißelt, dass Ehen oder Beziehungen für ewig halten müssen. Kate hat ihre Lebensform und ihre Mutter hat sich fürs Schweigen und Ertragen entschieden. Aber zu welchem Preis?

Gut geschriebene Unterhaltungsliteratur, deren Handlungsführung leider immer etwas vorhersehbar scheint, kann auch beruhigen. Die literarischen Figuren sind klar angelegt, die Handlung überschaubar und die großen Lebenseinschnitte sind längst Vergangenheit und halten sich in Grenzen.