Sara Pennypacker: Der Sommer der Eulenfalter, Aus dem Englischen von Gabriele Haefs, Carlsen Verlag, Hamburg 2015, 320 Seiten, €13,99, 978-3-551-55648-6

„Als Erstes besprühte ich Louise mit einer frischen Schicht Febreze, und ich sprühte sehr ausgiebig, weil ich nicht glaubte, dass die Hersteller bei der Gebrauchsanweisung verwesende Leichen berücksichtigt hatten.“

Die elfjährige Stella lebt seit dem Tod der Großmutter vor zwei Jahren bei ihrer Großtante Louise in Cape Cod. Aber sie ist nicht allein, Louise hat noch ein gleichaltriges Pflegekind, Angel, zu sich genommen. Die Mädchen mögen sich nicht. Angel behauptet, die immer recht mürrische Louise hat sie nur aufgenommen, um das Pflegegeld zu kassieren. Auch Stella hat kein enges Verhältnis zur Großtante. Sie hofft immer wieder auf die Rückkehr ihrer Mutter. Vom Jugendgericht ist die Mutter dazu aufgefordert worden, ihr Kind einmal im Monat an einem Samstag anzurufen. Sie soll sich eine feste Arbeit suchen und dann darf Stella bei ihr wohnen. Stellas unruhige Mutter hat sich nie richtig um ihre Tochter gekümmert, sie sogar als Kleinkind allein und ohne Essen zurückgelassen, aber sie schreibt ihr immer wieder Postkarten.

Als Louise plötzlich umfällt und ganz eindeutig tot ist, sieht Angel ihre Chance abzuhauen, bevor das Jugendamt wieder vor der Tür steht und sie in die nächste Pflegefamilie verfrachtet. Unsicher zögern die Mädchen den Anruf der Polizei hinaus, denn auch Stella, die Erzählerin dieser ungewöhnlichen Geschichte, wartet auf die Mutter. Als George, der Arbeitgeber von Louise, dann vor der Tür steht, erkennen die Mädchen ihre Chance.

Sie übernehmen Louises Arbeit und kümmern sich um die Hütten am Strand, die jetzt in der Sommersaison vermietet werden. Das erhoffte Trinkgeld könnte Angel helfen, zu ihrer Tante zu reisen, die, wenn sie eine Wohnung findet, sich um sie kümmern könnte. Angel und Stella ziehen nun am gleichen Strang und stellen fest, wo die Stärken und Schwächen beider Mädchen liegen. Stella kann Dinge gut strukturieren und vor allem gut putzen. Angel kann erstaunlich gut lügen und glaubhafte Geschichten erfinden. Stella hat ihren ganz eigenen Weg gefunden, um mit vielem fertig zu werden. Sie sammelt die praktischen Ratschläge von Heloise, die sie in Zeitungen gefunden hat. Und sie kümmert sich, damit niemand etwas bemerkt, um den Garten. Voller Bedauern stellt sie fest, dass die Blaubeeren für den traditionellen Kuchen nicht richtig gedeihen. George klärt sie auf und erzählt von den Eulenfaltern, die sich unter Eichen in den Sträuchern breit gemacht haben und des Nachts laut fressen. Gegen die Eulenfalter unternimmt Stella natürlich etwas, denn sie möchte unbedingt Blaubeeren ernten. Um diese ging es in ihrem letzten Gespräch mit Louise.

Vor den Mädchen stehen gewaltige Probleme. Zum einen müssen sie den Leichnam entsorgen, sie haben die schwierige Aufgabe, sich mit wenig Geld und ohne fahrbaren Untersatz ums Essen zu kümmern und sie müssen ihr Lügengebäude vor der Nachbarschaft aufrecht erhalten. Stella sucht nun im Haus der Großtante nach Zeichen und Spuren ihrer Mutter und muss feststellen, dass Louise auch für sie Geld vom Staat erhalten hat.

Durch George erfahren die Mädchen, das Louise das Haus gar nicht gehört, in dem sie wohnen. Er ist der Besitzer und Louise darf es bewohnen, da sie sich um die Hüttenkolonie kümmert.

Als die ersten Familien anreisen, haben die Mädchen viel zu tun. Mit Kummer sehen sie, wie intakte Familien miteinander umgehen, Spaß haben und füreinander da sind, eine Erfahrung, die sie nie machen werden. \r\nImmer mehr kommen Stella und Angel einander näher, sie verstehen sich trotz Reibereien von Tag zu Tag besser und die gemeinsame schwierige Situation schweißt sie zusammen.

Mit Tricks und Lügen schlängeln sie sich durch den Sommer. Aber als Stella mit ihrer Mutter am Telefon spricht und sie inständig bittet nach Hause zu kommen, ist klar, das sie eine Entscheidung treffen muss.

Sie ruft die Polizei an und gibt Angel mit dem verdienten Geld genug Zeit, um abzuhauen. Als George erfährt, was wirklich in den vergangenen Wochen geschehen ist, fällt er nicht aus allen Wolken. Er weiß, er hätte genauer hinsehen müssen und verstehen, was wirklich los war.

Aber das ist nicht das Ende dieses berührenden Romans um Kinder, mit denen es nur wenige Menschen gut meinen. Am Ende wird sich herausstellen, dass Louise nicht das Pflegegeld einstreichen wollte, sie hat für die Mädchen und ihre Zukunft mitgedacht. Auch Angel wird Stella nicht allein lassen.

Sara Pennypacker hat eine packende Geschichte geschrieben, voller Energie und Humor, Glücksmomenten und tiefen Enttäuschungen. Beim Lesen fiebert man unwillkürlich mit den Mädchen mit, kann ihre Einsamkeit gut verstehen und ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben.