Deborah Levy: Was das Leben kostet, Aus dem Englischen von Barbara Schaden, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2019, 158 Seiten, €20,00, 978-3-455-00514-1

„Was ich damals nicht ahnte: In dieser Hütte schrieb ich drei Bücher, auch dieses. Dort begann ich, in der ersten Person zu schreiben, ein Ich zu verwenden, das mir nahesteht, das ich aber nicht bin.“

Die 1959 in Südafrika geborene und heute in London lebende Deborah Levy hat mit „Heim schwimmen“ und „Heiße Milch“ von der Kritik anerkannte Romane geschrieben. In „Was das Leben kostet“ erzählt sie nie ausufernd von einem entscheidenden Abschnitt in ihrem Leben. Nach langer Ehe mit Töchtern und großem viktorianischem Haus entschließt sie sich in ihrem fünfzigsten Jahr, ihren Mann zu verlassen und in ein marodes Hochhaus in London zu ziehen. Die Möbel sind zu groß für die Wohnung, kein richtiger Arbeitsplatz kann eingerichtet werden, der finanzielle Druck kann nicht weggeredet werden. Und so zieht sie nach einem Angebot einer Freundin gegen eine geringe Miete in ihre Schreibhütte. Hier kann sie sich sammeln und über sich, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, die Freiheit und ihre Tücken, ihr nahe Autoren, wie Marguerite Duras oder James Baldwin nachdenken.

Mühsam ist das Einrichten der Wohnung, anstrengend das neue Dasein auf dem Berg, bei dem ein E-Bike eine Hilfe darstellt.
Durch den schnellen Tod der Mutter aus der Bahn geworfen, liefert die innere Einkehr Zeit für Reflexionen und Gedankenexperimente. Es ist klar, die Autorin befindet sich in einer neuen Lebensphase.

„Seitdem ich nicht mit der Gesellschaft verheiratet war, befand ich mich im Übergang zu etwas oder jemand anderem. Zu was? Zu wem? Wie soll ich dieses sonderbare Gefühl von Auflösung und Wiederzusammensetzung beschreiben? Wörter müssen den Geist öffnen.“

Viele Sätze, die die Autorin so harmlos aufschreibt, möchte man dick unterstreichen, denn sie treffen, vielleicht einst aufgeschrieben, ohne zu ahnen, den Zeitgeist. Mehrmals fragt sie sich, warum Männer sich nie die Namen von Ehefrauen merken können und auch die eigene oft nie mit Namen erwähnen. In ihrer lakonischen Art kommt Deborah Levy schnell auf den Punkt. So sagt sie über ihre in die Brüche gegangene Beziehung:

„Als hätten wir von unserer Begegnung an den Pakt gehabt, nicht mehr voneinander wissen zu wollen, sondern weniger. Das war der fatale Fehler, der uns auseinandergetrieben hatte, das sah ich ein. Hoffentlich machen wir es mit anderen Menschen in dieser Hinsicht besser.“

Entstanden ist eine Autobiografie, die nicht retrospektiv, sondern in der Zeit geschrieben ist, in der man lebt. In hinreißend beobachteten, oftmals sehr komischen Episoden aus ihrem Leben entwickelt Deborah Levy tiefe Wahrheiten über die Gesellschaft und die Rolle der Frau.