Marie Pourchet: Feuer, Aus dem Französischen von Claudia Marquardt, Luchterhand Verlag, München 2023, 320 Seiten, €24,00, 978-3-630-87734-1

„Früher dachtest du dir nichts dabei, wenn du nach Hause gegangen bist. Jetzt ist Heimkommen wie Älterwerden, wie Verlieren.“

Eng verbunden mit ihrer Familie, zwei Töchter, ein Ehemann, der Arzt ist, lebt die vierzigjährige Laure im schmucken Eigenheim in der Nähe von Paris als Uni – Dozentin ein gleichmäßiges Leben. Als sie dann den traurigen Banker Clément, der zehn Jahre älter ist, kennenlernt, scheint sich zwischen beiden, fast aus dem Nichts eine Leidenschaft zu entwickeln. Begleiten die Lesenden Laures Gedanken in der Du-Erzählform, so berichtet der gut betuchte Clément aus der Ich – Perspektive im direkten Gespräch mit seinem Hund Papa von seinem Alltag, der von außen betrachtet spektakulär sein könnte, es für ihn aber nicht ist.

„Ich warte ab, ich liebe es. Nur noch eine Nachricht, nur noch einen Tag, dann höre ich auf, es ist nicht richtig, ein Spiel mit dem Feuer.“

Alle Gedanken die Laure sich zugesteht, werden auf recht komische Weise durch eine innere Stimme von ihrer Mutter oder Großmutter aus dem Grab kommentiert. Warnt die Mutter aus dem Himmel vor heiklen Eskapaden und Lügen, so hat die Großmutter Freude daran ihrer Enkelin dabei zuzureden, die eigenen konventionellen Fesseln zu sprengen. Mehr als unkonventionell verhält sich Laures älteste, siebzehnjährige Tochter als Anführerin von Teenagerkolonnen mit Handy, die von einem Gymnasium zum nächsten wechseln muss, da ihre Proteste, z.B. gegen Lehrbücher, in denen bekannte Frauen, die etwas geleistet haben, nicht vorkommen, ziemlich ausarten. Die Mittelschicht kennt ihre eigenen aufmüpfigen Kinder nicht mehr und verflucht die eingegangenen Kompromisse und Wiederholungen. Als Laure dann mit Clément ein heimliches Verhältnis eingeht, glaubt sie, aus dem Trott des Alltags ausbrechen zu können. Doch allein die erste sexuelle Begegnung deutet schon an, dass das Feuer nie richtig lodern wird. Er ist verunsichert, sie voller überschäumender Erwartungen. Missstimmungen machen sich breit, denn natürlich ist Laure, auch durch ihre jüngere Tochter, in die Familie eingebunden.

Auf die Frage, was die beiden Liebenden nun angeblich verbinden soll, findet er kaum eine Antwort. Immer neue Komplikationen, auch mit Ehemann Anton, der seltsam gleichgültig spürt, dass seine Frau auf Abwegen ist, durchdringen Laures Tagesabläufe, die durch Cléments Verhalten in seiner Todessehnsucht, aber achtsam lebend und immer auf seinen fitten Körper orientiert, immer trübseliger werden.

Wahres weibliches Begehren erregt den Banker, der immer dünner wird, kaum noch, denn er ist ständig, aber auch hier ohne wahre Aufgeregtheit, mit den Aufs und Abs seiner Eisbank beschäftigt.

Er bleibt die Sehnsuchtsfigur von Laure, die ihre Familie mit ihrem Verhalten zerstören wird und ihn nicht vergessen kann. Doch warum, was treibt Laure an, in ihm ihre Erlösung zu sehen und wie Emma Bovary ins Elend zu laufen?

Sprachlich aufregend fesselt Maria Pourchet in ihrem so realistischen Roman die Lesenden durch ihren temporeichen, oftmals spitzzüngigen, teils sarkastischen Erzählton und den schnellen Wechsel der Perspektiven. Faszinierend und eine Autorin, deren Namen man sich merken muss.