Kate de Goldi: Barney Kettles bewegte Bilder, Aus dem Englischen von Ingo Herzke, Königskinder Verlag, Hamburg 2017, 424 Seiten, €18,99, 978-3-551-56032-2

„Wusste er das mit der Kamera? Wusste er, dass Barney, wenn er sie in der Hand hielt, an ihr herumnestelte, sich dahinterstellte, sie anhob und in den Sucher schaute, von wunderbarem Selbstbewusstsein und Optimismus erfüllt wurde? Es war wie bei Popeye mit dem Spinat. Oder wie Asterix und seine Gallier, wenn sie Miraculix‘ Zaubertrank nahmen. Wenn er die Kamera hatte, wurde Barney mutig und optimistisch; er hatte das Gefühl, alles sei möglich.“

Seinen ersten Film drehte Barney Kettle, da war er neun Jahre alt. Nicht sein Opus Magnum, aber immerhin. Kettle Production sah nun drei Jahre später einer rosigen Zukunft entgegen, wäre da nicht die lästige Schule, die so viel Zeit in Anspruch nimmt und Barneys Mutter, die immer wieder Ordnung in das Leben ihres Sohnes bringen will. Barney und seine ein Jahr jüngere Schwester Ren mit der großen Brille, auch genannt Schrägstrich, sind das perfekte Team, wenn es um Organisation, Planung und den Dreh eines Films geht. Gut da waren auch noch die Kinder aus der High Street, aber sie wollten lieber ein Eis essen als als hart arbeitende Schauspieler einen Film drehen. Da konnte Barney echt zum Diktator werden, wenn alle plötzlich losrennen.
Und wieder sitzen Bruder und Schwester in der heißen Weihnachtszeit in Neuseeland im Café Coralie und suchen nach einer Inspiration für einen neuen Streifen. Immerhin hat die Nordinsel-Oma für ein gutes Equipment gesorgt. Großeltern haben irgendwie viel mehr Verständnis für die wahren Interessen als Eltern. Barney liest sich so einiges an und spürt aber auch, dass das Festhalten an grauer Theorie ihn nicht so richtig weiterbringt. Kurz und gut, die beiden haben einen fantastischen Einfall, der nächste Film wird ein Dokumentarfilm über die High Street, in der Barney mit seiner Familie wohnt, ein Film über die Menschen und ganz unterschiedlichen Läden. Zum Glück fallen da auch die lästigen Schauspieler weg und Barney kann sich auf das reale Leben und die Interviews konzentrieren. Aber auch das ist mit Erwachsenen nicht so einfach, die manchmal auf eine simple Frage eine ellenlange Antwort geben müssen und plötzlich sich ganz anders darstellen als sie wirklich sind. Der Arbeitstitel des Films heißt: „Die Unerzählte Geschichte“.

Nach anfänglichen Problemen laufen die Dreharbeiten. Am schönsten ist es wie immer im Comicladen von Albert Anderson oder in Deidres Friseurladen, in dem immer irgendetwas passiert. Nebenher spielen Barney und Ren auch noch Detektiv, denn immer häufiger beklagen die Ladenbesitzer, dass ihnen Dinge gestohlen wurden. Und die beiden Kreativen bekommen von einer unbekannten Person Comics in Umschlägen zugesandt und wissen einfach nicht, was das soll.
Barney ist auch schon ziemlich unglücklich, denn der Schulunterricht naht. Dabei soll der Film laut Rens gnadenloser Planung Ostern fertig sein. Und wieder muss sich der junge Filmregisseur mit einer neuen Lehrerin auseinandersetzen, die er sofort befragt, welcher Film ihr Lieblingsfilm ist. Aber die Neue ist clever. Sie gibt Barney freie Zeiten für sein Projekt und will im Gegenzug, dass er mit einem Mitschüler Mathe nachholt.

Mit trockenem Humor und vor allem kleinen Referenzen an bekannte Comics, Graphic Novels und Filme erzählt Kate de Goldi von der Leidenschaft des Filmemachens. Ihre Hauptfiguren, Barney und Ren, bestechen durch ihre Ernsthaftigkeit, Neugier und vor allem den Willen, etwas wirklich Vorzeigbares zu produzieren. Mögen da manchmal die Künstlerlaunen des Regisseurs im Wege stehen, gearbeitet wird hart und konzentriert. Und als die Kinder aus der High Street mitbekommen, das Barney an einem neuen Werk feilt, klagen sie ihre Mitarbeit gleich ein. Die High Street als internationaler Mikrokosmos unterschiedlichster Menschen mit ihren Eigenarten, die friedlich miteinander leben, berührt beim Lesen von Seite zu Seite, denn alle mögen Barneys Projekt und möchten einfach nur mitmachen ohne zu ahnen, dass ihnen ein Unglück bevorsteht.

Kate di Goldi schreibt mitreißend und berührend von den Ereignissen in der High Street und ihren liebenswerten Figuren. Sie beansprucht den Leser und gibt doch so viel zurück, denn Barney und auch Ren sind so lebendige Erfindungen, dass man denkt,sie seien echte Menschen.