Jami Attenberg: Nicht mein Ding, Aus dem Englischen von Barbara Christ, Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt a.M. 2020, 224 Seiten, €22,00, 978-3-89561-357-9

„Wir, die Berns, waren eine Familie im Zerfall. Wir liebten einander nach wie vor, doch als Einzelne hatte wir alle Probleme. Niemand war glücklich, niemand war gesund. Und ich kann nicht für andere sprechen, aber ich soff wie ein Loch.“

Andrea Bern steht im Zentrum dieser Geschichte. Sie ist die Erzählerin, die Chronistin ihres New Yorker Lebens, das den Zeitraum zwischen ihrem dreizehnten und vierzigsten Lebensjahr umfasst. Früh verliert sie ihren Vater, der drogensüchtig war, die Mutter schlägt sich mit schlecht bezahlten Jobs durch. Immer lebt die Familie von der Hand in den Mund. Andreas Bruder David ist Musiker, Andrea wird Kunst studieren, ihr Studium in Chicago aufgeben und nach New York zurückkehren.
Zwar malt sie noch, immer das gleiche Motiv, das Empire State Building, das von ihrer Wohnung aus zu sehen ist. Aber sie sieht sich selbst nicht mehr als Künstlerin. Eins ist ihr jedoch immer bewusst, Familie und Kinder ist „nicht ihr Ding“.

Jami Attenberg lässt ihre Protagonistin nicht chronisch erzählen, sie springt in den Zeiten und Erinnerungen hin und her. 2006 ist Andrea zweiunddreißig Jahre alt, sie wohnt jetzt allein und arbeitet in einem Job, den sie hasst. Aber sie ist nicht mehr Pleite. Ihre Freundinnen und ihr Bruder heiraten, Kinder kündigen sich an, man kauft ein Haus, wird sesshaft.
Wenn Andrea eines hasst, dann sind es Kinder und vor allem feste Beziehungen. Sie stürzt sich auch oft angetrunken in lauter One-Night-Stands, sieht die Männer mal wieder, mal auch nicht. Sie lässt sich demütigen und behandelt andere schlecht. Sie weigert sich ihre beste Freundin Indigo zu besuchen, die mit ihrem Baby nun Zuhause sitzt. Ihr reicher Mann lässt sich kaum und sehen und nach zwei Jahren ist die Ehe auch schon am Ende, denn er geht fremd.

Andrea legt keinen Wert auf Verantwortung, sie will diese weder beruflich noch privat.
Ihr verheirateter Bruder wird Vater. Greta seine pragmatische Frau, erfolgreiche Journalistin, beschließt aufgrund einer Erbschaft nach der Geburt, New York zu verlassen. Sie hat ihren Job verloren, die Platte von David ist ein Flop und ihr gemeinsames Kind ist behindert und hat nur wenige Jahre zu leben. Sie ziehen nach New Hampshire und vergehen in der Provinz. Davids Mutter zieht zu den beiden und Andrea ist sauer auf diesen Umzug.
Andrea ist als Person schwer zu durchschauen. Ihre sexuellen Exzesse und ihre Drogenkonsum stoßen irgendwie ab, ihre Anteilnahme am Leben der Freunde und Familie jedoch ist wieder berührend. Mal lebt sie mit einem Mann, einem Künstler, etwas länger zusammen, aber alles endet im Fiasko. Andrea glaubt schon an die Liebe, aber sie denkt, dass für sie die Liebe nie existieren wird.

Ihr Blick auf Welt ist manchmal locker leicht, dann wieder äußerst komisch, aber auch bitter und tragisch. Ist sie oberflächlich – ist sie einfach nur bindungsunfähig, da ihr Männer viel zu früh Gewalt angetan haben?
Wie soll man leben? Andrea wird diese Frage nicht beantworten, denn ihrem Lebensstil haftet irgendwie der Makel an.

Ihre eigenen Darstellungen jedoch sind ehrlich und ungeschminkt, es gibt keinen Glamour, keine Sorglosigkeit, aber viel Schmerz.