Anna Schneider: Grenzfall – Der Tod in ihren Augen, Fischer Taschenbuch, S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, 432 Seiten, €18,00, 978-3-596-70050-9

„Doch so sehr Alexa sich bemühte, den Fund in einen Kontext zu setzen, es wollte ihr nicht gelingen. Sie fand einfach keine Erklärung dafür, warum jemand eine halbe Leiche an einen Berg hängte.“

Zwischen Isarwinkel und Karwendelgebirge, zwischen Deutschland und Österreich, zwischen München und Innsbruck spielen die künftigen Krimis von Anna Schneider. In der Gegend zu Hause weiß die Autorin sehr genau, worüber sie schreibt. Sie kennt die Menschen in den Voralpen und sie weiß um die Gefahren in den Bergen.
Ihre junge Kriminalkommissarin, Alexa Jahn, kommt allerdings aus Aschaffenburg und hat mit Bergen und Skiurlaub so gar nichts am Hut. Aber um der Karriere willen und für den Aufstieg zur Kriminaloberkommissarin muss man Opfer bringen. Die Zweiunddreißigjährige lässt sich dafür nach Weilheim versetzen. Kaum angekommen lernt sie ihren neuen, sehr umgänglichen Chef Brandl kennen und die Kollegen, die auf die kleine, drahtige, ziemlich attraktive Frau nicht gerade herzlich reagieren. Als der Chef ihr dann auch noch die Leitung für ihren ersten großen Fall überträgt, hängt der Haussegen mit ihrem neuen Kollegen Florian Huber ziemlich schief. Eigentlich wäre er mit einer Beförderung an der Reihe, aber Brandl hatte einen Unfall bei der Suche nach einer vermissten Person in den Bergen und bittet, die völlig ortsunkundige Alexa den Fall zu übernehmen.
Aufgefunden wurde eine Frau, die hinterrücks erdrosselt wurde. Der Täter, ein wie Alexa vermutet intelligenter Psychopath, hat ihren Oberkörper in die Berge gehängt und den Unterteil mit Stroh ausgestopft und die Schuhe beschwert. Den Unterkörper werden die Österreicher in einem Fluss entdecken. Ein Fuß wird fehlen. Alexa muss nun mit ihrem österreichischen Kollegen dem grantigen, sechzigjährigen Bernhard Krammer zusammenarbeiten. Er befindet sich im Gegensatz zu Alexa eher in einem beruflichen Tief. Am liebsten würde er alles hinwerfen. Aber was soll er mit sich allein zu Hause anfangen? Die Zusammenarbeit der beiden sehr gegensätzlichen Kommissare beginnt eher holperig. Alexa und Krammer drehen sich verzweifelt im Kreis, denn nichts aber auch gar nichts weist nach der Identifizierung der Leiche auf ein Mordmotiv hin. Sonja Mayrhofer war eine unbescholtene, freundliche Bankangestellte, kinderlos, begeisterte Naturfreundin und seit fünfundzwanzig Jahren mit ihrem um Jahre älteren Partner liiert. Jetzt wollten sie heiraten.

In den kursiven Passagen gewinnt der Leser einen Einblick in das Denken des Täters. Was hat ihn angetrieben, eine passionierte Wanderin zu töten? Könnte das ein Serienmord werden, was die Polizei in Unruhe versetzt, als eine zweite Urlauberin verschwindet. Schon ist die Presse am Ball und verbreitet Horrornachrichten. Gar nicht gut für ein Urlaubergebiet. Schnelle Fahndungserfolge sind jedoch nicht zu erwarten.

Anna Schneider hat ihren literarisch durchaus anspruchsvollen dramatischen Handlungsverlauf absolut spannend gebaut. Sie belastet den Leser kaum mit akribischer Polizeiarbeit oder grausigen Details, die bei diesem Fall eigentlich im Vordergrund hätten stehen können. Sehr lange tappt der Leser im Dunkeln und fragt sich, was hinter dem brutalen Frauenmord lauern könnte.
Für Konflikte sorgen natürlich die heiklen Auseinandersetzungen zwischen den Ermittlern, die sich erst mal kennenlernen müssen. Ein geschickt platzierter Cliffhanger sorgt dafür, dass Leser, die den ersten „Grenzfall“ – Band für gut befunden haben, nun zum zweiten greifen werden.
Und das ist völlig in Ordnung.