Frank Goldammer: Die Verbrechen der Anderen – Kriminaldauerdienst: Team Ost-West, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2023, 399 Seiten, €16,95, 978-3- 423-26332-0

„Das war das Land, in dem es Arbeitslosigkeit und Drogen gab, in dem Gewaltverbrechen und Bandenkriege an der Tagesordnung waren. Durch das Seitenfenster des Trabants betrachtete Falck die Umgebung. Es sah alles ganz normal aus.“

Wenn Volkspolizist Tobias Falck und seine junge Kollegin Steffi Bach im Februar 1990 mit ihrem Trabbi von Dresden nach Köln tuckern, ist klar, dass alle sie am Rosenmontag mit ihrer sächsischen Aussprache für perfekt verkleidet halten. Dass sie in ihrer Verunsicherung, immerhin waren die beiden bisher nur mal kurz in Westberlin, nun im Westen ermitteln, was sie ja eigentlich gar nicht dürfen, fällt gar nicht auf. Allerdings sind sie hier nach allen möglichen Verwicklungen und zwei Toten auf der richtigen Spur.

Alles beginnt mit der Meldung eines Diebstahls in Dresden. In der Gemäldegalerie Alte Meister ist ein wertvolles Bild eines holländischen Malers verschwunden. Nur per Zufall entdeckt Restauratorin Karina Schüttauf den Austausch der Bilder. Dass die DDR – Führung ihren Devisenhaushalt mit dubiosen Geschäften, u.a. auch mit dem Verkauf von Antiquitäten, aber auch Gemälden aufgebessert hat, ist nach 1989 kein Geheimnis mehr. Kann es jedoch sein, dass die Stasi auch hinter illegalen Verkäufen, nebst Fälschungen aus dem Bestand der Gemäldegalerien steckt? Als dann der Fälscher, ein in der DDR erfolgloser, unterdrückter Künstler, von seiner eigenen Skulptur erschlagen in seiner Wohnung gefunden wird, beginnen die Ermittler von der Abteilung Kriminaldauerdienst ihre Arbeit.

Zurückblickend weiß jeder, gerade dieses Jahr 1990 ist eine Zeit der Unsicherheit, Unruhe und vor allem auch der Rache. So baut Frank Goldammer einen zweiten Erzählstrang ein, in dem eine verzweifelte Mutter ihren Sohn sucht. Er musste als Soldat an der Grenze dienen. Tragischerweise hat er im Dienst einen gleichaltrigen jungen Mann getötet. Nun vermutet die Mutter, dass ihr Sohn, der sich seit diesem Tag schuldig fühlt, entführt und selbst getötet wurde.

Mit der Öffnung der Grenze eröffnet sich auch ein riesiger Markt für Betrüger, die im Osten auf Dummenfang gehen. Allerdings ermorden die Kleinkriminellen niemanden.

Nach und nach wird klar, dass fast alle Verantwortlichen im Dresdner Museum von diesen Fälschungen, die nicht nur ein Bild betrafen, wussten. Doch wer steckt nun hinter dem Mord, dem noch ein weiterer folgen wird und wo ist das Original? Das Schreckgespenst der Stasi, die ja sowieso zu allem fähig ist, breitet sich aus. Allerdings führt diese Fährte in die völlig falsche Richtung. In einem Wirrwarr aus Erpressung, Entführung, Trickserei und Mordversuch beschuldigen sich vom Direktor der Galerie bis hin zur Museumsaufsicht, natürlich Stasi-IM, alle gegenseitig, denn die zwei Millionen D-Mark für einen echten Holländer scheinen alle brennend zu interessieren. Die DDR-Polizisten benötigen, auch wenn sie dies nur schweren Herzens zugeben, Hilfe aus dem Westen. Und hier kommt wieder Sybille Suderberg ins Spiel. Die Ex-Kommissarin aus dem Westen hat sich in Dresden mit einer Privatdetektei selbstständig gemacht. Sie soll nun eruieren, in wessen Auftrag dieses Gemälde gestohlen wurde. Die Panik, dass die Stasi nun alle, die in der Kunstmafia im Osten aktiv waren, zur Strecke bringt, legt sich langsam.

Und dann wird auch noch der Kunstexperte aus dem Westen, ein gewisser von Palitzsch, entführt. Das angebliche Original entdeckt Tobias Falck, doch sein ständig rauchender, notorisch schlecht gelaunter Chef lässt sich den exorbitanten Fund samt Polizeiauto klauen. Die Polizisten wissen nicht, dass nicht nur eine Kopie existiert und sie ahnen nicht, dass auch Suderberg und sogar der Chef vom Kriminaldauerdienst unter einer Decke stecken.

Die Wende hat kaum begonnen und schon gieren alle nach Geld und Reichtum und schlagen sich dafür im wahrsten Sinn die Köpfe ein. Was alles nach 1990 noch kommen wird, wissen nur die Lesenden.

In Frank Goldammers Geschichte kann man in einer gesellschaftlich unruhigen Zwischenzeit verweilen. Niemand weiß so richtig, wie die Zukunft aussehen wird. Man sieht vor seinem inneren Auge das marode Dresden, die kaputten, zerfallenen grauen Häuser und Straßen, aber auch das schmucke Hotel Bellevue, nur für Touristen mit harter Währung einst geöffnet, die den Canaletto – Blick genießen durften. Für die Bevölkerung gab es die Kunstgalerien und den Prunk noch aus Zeiten von August dem Starken im Grünen Gewölbe. Aber auch hier, so scheint es zu sein, wurde den arglosen Besuchern etwas vorgemacht.

Dieser Krimi spielt natürlich genüsslich mit allen klischeebesetzten Vorurteilen, die der Osten vom Westen hatte und umgekehrt. Aber Goldammers literarische Figuren sind keine holzschnittartigen Pappkameraden, sondern Menschen mit Schicksalen und beruflichen wie privaten Problemen, die sich durch den Tag schlagen und vielleicht doch noch an Gerechtigkeit glauben.