Maria Adolfsson: Doggerland – Tiefer Fall, Aus dem Schwedischen von Stefanie Werner, List Verlag / Ullstein Buchverlage, Berlin 2020, 415 Seiten, €15,00, 978-3-471-35183-3

„Langsam macht Karen ein paar Schritte zurück, dreht sich um 180 Grad und beugt sich vor, um nach ihrer Handtasche zu greifen, die sie vor dem Kamin abgestellt hat. Fast hätte sie es geschafft.“

Es ist Weihnachten und eigentlich ist Kriminalinspektorin Karen Eiken Hornby noch krankgeschrieben, aber nachdem viele Kollegen an der Grippe erkrankt sind und ihr Chef, Jounas Smeed, eine Asienreise geplant hat, übernimmt Karen einen neuen Fall. Vielleicht wollte sie auch ihrer Familie über die Weihnachtstage entkommen, zumal Sigrid, Smeeds Tochter sich bei ihr einquartiert hat und ein Bekannter, der früher auf der Straße gelebt hat.

2018 ist Maria Adolfssons erster Kriminalroman, der erste Band der Doggerland-Trilogie, erschienen. Doggerland wird eine Inselgruppe zwischen Dänemark und Großbritannien genannt, die vor rund 8000 Jahren versank. Maria Adolfsson erweckt sie mit ihren Geschichten wieder zum Leben.

Nun wurde ein Toter in Noorö gefunden und ausgerechnet dort lebt auch ein Teil von Karens Familie. Einst ist sie zu den Verwandten in den Schulferien gereist, doch mittlerweile hat sich der Kontakt etwas abgekühlt. Wissen muss der Leser, dass Karen ihren Mann und ihr Kind durch einen Autounfall verloren hat. Sie saß am Steuer. Keiner ihrer Kollegen kennt ihre Vergangenheit, alle denken, sie sei geschieden. Karen sieht nun die Tanten, Onkel, Neffen und Nichten wieder und muss feststellen, dass der Tote, Hochschullehrer im Ruhestand, Fredrik Stuub, ermordet wurde. Er ist einen tiefen Hang hinuntergestoßen worden, nachdem er geschlagen wurde. Weiterhin wurde seine Wohnung durchwühlt. Zum Glück kennt der Polizist vor Ort, Thorsten Byle, die Eigenheiten der hiesigen Häuser, in denen irgendwo ein Geheimfach eingebaut ist. Der Mörder jedenfalls war damit nicht vertraut.

Weder die Kollegen der Spurensicherung, noch der wohlbeleibte Pathologe sind von ihren Weihnachtseinsätzen, die sich bis zum Dreikönigstag ziehen wird, begeistert. Denn es geschieht noch ein zweiter Mord. Fragt sich, ob damit die berüchtigte Motorradgang etwas zu tun hat, in der auch Karens Verwandter Odd Mitglied ist.

Parallel zu den Ermittlungen rund um Fredrik Stuub, einschließlich Befragung der Ehefrau und ehemaligen Kollegen, erhält Karen einen Anruf ihrer einstigen Freundin Aylin. Seit sie den rechten Politiker Bo Ramnes geheiratet hat, ging die Freundschaft langsam auseinander. Aylin hat zwei Kinder bekommen und sich aus dem Freundeskreis langsam verabschiedet. Der Leser weiß indes bereits, was sich in Aylins Haus abspielt. Bo hat seine Ehefrau systematisch verunsichert, klein gemacht und seine miese Laune an ihr ausgelassen. Mehrere Fluchtversuche sind schiefgelaufen. Durch Bos Position in der Öffentlichkeit kann er sich keine Skandale leisten, schon gar nicht das Image eines prügelnden Ehemannes. Wie schwer es Aylin mit zwei Kindern fällt, aus dem Teufelskreis dieser Ehe zu entfliehen, davon erzählt die schwedische Autorin sehr verständnisvoll.
Auch Kriminalinspektor Karl Björken von der Kripo Doggerland hat so seine Familienprobleme. Seine Frau will wieder arbeiten und er wird im Dienst gebraucht.

Auf der Insel gibt es kaum Arbeit, da ist Groths Whiskybrennerei, die Arbeit auf Ölplattformen und die in einstigen Kohlegruben. Der Enkel von Fredrik Stuub, Gabriel, arbeitet in der Whiskyfabrik, hatte aber wohl zu seinem Großvater kein inniges Verhältnis. Er wird der zweite Tote sein.
Lang benötigen die Ermittler ehe sich irgendein Motiv für die Ermordung eines Dozenten im Ruhestand ergibt.
Immer wieder dreht sich dieser Krimi um Familien, dysfunktionale, zerbrochene, zerstrittene, uneinige und traurige. Auch Karen wird erkennen, dass in ihrem Fall auch der Untergang einer Familie eine Rolle spielt.

Maria Adolfsson geht gern ins Detail, beschreibt ihre Figuren und lässt den Höhen und Tiefen des Alltags viel Raum. Allerdings ufert die Geschichte mit dem zahlreichen Personal zu weit aus und man verliert den Faden, wenn man die Geschichte nicht konzentriert verfolgt.