Petra Johann: Die Frau am Strand, Rütten & Loening bei Aufbau-Verlag, Berlin 2021, 456 Seiten, €16,99, 978-3-352-00952-5

„Es war jedes Mal dasselbe: Die Arbeit an einem interessanten Fall weckte so viel Energie in Edda, dass sie schlicht nicht wusste, wohin damit. Als sie einmal mit Sebastian einen Serienmörder gejagt hatte, hatte sie gleichzeitig nachts ihre Wohnung renoviert – sehr zum Verdruss ihrer Nachbarn.“

Wenn Kriminalkommissarin Edda Timm von der Kripo Rostock jedoch Urlaub hat, dann spielt sie den ganzen Tag Computerspiele und lässt die Wohnung verloddern. Zum Glück wird sie im Urlaub angerufen und ein neuer Fall steht an.
Lucy Hagen wurde von ihrem Nachbarn am Fuß der Steilküste tot aufgefunden. Die junge Frau wohnte mit ihrer Frau, Rebecca, in einem Haus in Rerik, gleich in der Nähe von Wismar. Lucy arbeitet jedoch erfolgreich in Hamburg in ihrer eigenen Firma, die sie sich mit ihrem Jugendfreund Finn aufgebaut hat. Rebecca hingegen kümmert sich um Greta, ihr fünf Monate altes Baby.

Petra Johann lässt Rebecca zu Beginn des Thrillers aus ihrer Sicht von den Geschehnissen berichten. Danach verfolgen die LeserInnen die Polizeiarbeit aus Eddas Sicht und dann kommt zum Ende hin wieder Rebecca zu Wort.

Klar ist, Rebecca und Lucy führen ein gutes Leben mit ihrer Tochter. Sie verfügen über ein finanzielles Polster und Rebecca fühlt sich an der Ostsee, an deren Strand sie stundenlang mit ihrem Mädchen spazieren gehen kann, pudelwohl. Vielleicht ist sie ein bisschen einsam, wenn Lucy doch tageweise in Hamburg arbeitet. Als Rebecca durch einen kuriosen Umstand Julia kennenlernt, beginnt eine gute Zeit. Die beiden Frauen verstehen sich, sie erzählen einander ihre Geschichten, u.a. berichtet Rebecca von ihrer Fehlgeburt und ihren Depressionen danach. Als Julia, eine markante Erscheinung, auch durch ihre verschiedenfarbigen Augen, jedoch zu einer Essenseinladung Rebeccas mit Lucy, Finn und seiner attraktiven, wie doch sehr dominanten Frau Priska nicht erscheint, ist Rebecca sehr enttäuscht. Nach und nach stellt Rebecca fest, dass Julia weder im Kurhaus gewohnt hat, noch irgendein Lebenszeichen von sich gibt. Als sie dann ein Foto von Julia auf Lucys Laptop findet, fordert sie eine Erklärung.
Nachdem die Polizei und die Spurensicherung festgestellt haben, dass Lucys Tod nicht durch einen Unfall verursacht wurde, suchen alle, auch die Familie, nach Rebecca. Als diese mit ihrem Kind plötzlich wieder auftaucht, tischt sie den Ermittlern mehr als eine Lüge auf. Parallel zu diesem Fall stößt Edda auf einen einige Monate zurückliegenden Mord in Köln. Das Opfer heißt Julia, hat diese besonderen Augen, war im achten Monat schwanger und hatte eine Affäre mit Finn. Gefunden wurde von ihr jedoch nur der Kopf.

Petra Johann hat bei dieser psychologisch absolut überzeugenden wie spannenden Geschichte über zwei Morde an Frauen in Köln und Rerik, die irgendwie miteinander verbunden sind, die Erzählfäden routiniert in der Hand. Ihre Personage ist übersichtlich, die Fälle in sich sind für den Leser gut nachvollziehbar, in den Details jedoch bleibt vielleicht einiges fragwürdig. Ab und zu gleitet die Autorin sprachlich ins humoristische Fach, bleibt hier aber ziemlich inkonsequent. Rätselhaft mutet auch die wahnsinnige Seite von Edda aber auch Rebecca an, die den Leser im Ausklang doch allein lässt. Im Text hinterfragt wird jedoch immer wieder, was Frauen für ihre Kinder in Kauf nehmen, warum manche Männer wirklich erbärmlich schwach sind und wie es sein kann, dass die Gier nach Geld Menschenleben zerstört.
Wie die arbeitswütige Edda sich weiterhin als Ermittlerin in Mecklenburg-Vorpommern so schlägt und ob sie ihre Fähigkeiten als Chefin unter moralinsauren und regeltreuen Mitarbeitern noch verbessern kann, das wäre sicher Stoff für einen zweiten Krimi.