Ruth Ware: Der Tod der Mrs Westaway, Deutsch von Stefanie Ochel, Deutscher Taschenbuch Verlag, premium, München 2019, 416 Seiten, €15,90, 978-3-423-26240-8

„Bald wird die Wahrheit ans Licht kommen, ob ich es will oder nicht. Die Frage ist, werden sich dann die Reihen gegen mich schließen?“

Als Harriet Westaway, genannt Hal, durchgefroren und ohne Aussicht auf finanzielle Einnahmen in ihrer kleinen Wohnung ankommt, liegt dort nicht nur ein beunruhigendes Schreiben von einem Kredithai, sondern auch ein Brief, dessen Inhalt die junge Frau völlig verunsichert. Angeblich ist ihre vermögende Großmutter, Hester Mary Westaway, verstorben und nun soll sie zur Beerdigung und Testamentseröffnung erscheinen. Hal ist sich absolut sicher, dass die Eltern ihrer Mutter, die selbst bei einem Autounfall ums Leben kam, ebenfalls tot sind. Ihr Vater wurde namentlich nie erwähnt. Doch die Hoffnung auf ein bisschen Geld und die Androhung von Gewalt durch die Handlanger des Kredithais veranlassen Hal zur Fahrt zum Wohnsitz Trepassen House in St. Piran. Die Beerdigung kann die eingeschüchterte Hal mit Hilfe des Anwalts durchstehen. Ausgestattet mit etwas Menschenkenntnis, Hals Beruf ist das Tarotkartenlegen, und Beobachtungsgabe kann sich Hal langsam ein Bild ihrer „neuen Familie“ machen.

Maud, ihre angebliche Mutter, ist seit langem verschwunden. Hal hat drei Onkel, Harding, Abel und Ezra.
Als Hal das wertvolle Anwesen ihrer Großmutter sieht, wird ihr schnell klar, dass sie mit ihrer Lüge wohl kaum durchkommen wird. Harding ist auch wenig begeistert von ihrem Erscheinen, Abel und Ezra haben wenig Hoffnung überhaupt zu erben, obwohl Ezra eigentlich der Liebling der Mutter war. Alle, außer Harding, haben sehr schnell das Weite gesucht, denn Hester Westaway war offensichtlich keine angenehme Person. Investiert wurde nie in Haus und Anwesen und so frieren alle bitterlich in der ersten Nacht. Die 80-jährige Haushälterin, Mrs Warren, gleicht der unheimlichen Mrs Danver aus Daphne du Mauriers Roman „Rebecca“. Sie betrachtet Hal mit Argwohn. Bei der Eröffnung des Testaments wird Mrs Warren und die Enkelkinder bedacht, die leiblichen Kinder nicht. Die Haupterbin ist Hal, die bei dieser Nachricht erstmal in Ohnmacht fällt.

Langsam wird klar, dass diese Familie ein Geheimnis hütet und Mrs Warren weiß so einiges.
Hal kann herausfinden, dass Maud eng mit einer Cousine mit gleichem Namen, beide hießen Margarida, verbunden war. Diese hat in dem Anwesen in Cornwall gelebt. Hal sieht sie auf einem Foto und weiß, das sie ihre Mutter ist. Sie war schwanger als sie bei der Tante gelebt hat. Doch wer war nun Hals Vater? Ist es der Fotograf, den Hals Mutter so liebevoll ansieht?
Hals Neugier ist nun geweckt. Durch Verspätungen muss Hal bis Montag bei ihrer neuen Familie bleiben und kann die einzelnen Familienmitglieder nach und nach kennenlernen.
Parallel zur Geschichte blickt der Leser in ein Tagebuch und ahnt erst spät, dass dies die Aufzeichnungen von Hals Mutter sind. Doch wer ist nun eigentlich die Mutter von Hal?

Absolut spannend liest sich diese geheimnisvolle Geschichte, die von einer jungen, sympathischen Frau und ihrem persönlichen Schicksal erzählt. Atmosphärisch dicht malt die englische Autorin die Handlungsorte aus, ob nun in Brighton oder Cornwall und stellenweise glaubt man, auch durch das Setting, die Handlung spielt im 19. Jahrhundert. Hal kämpft sich mutig voran und will sogar auf ihr Erbe, dass ihr letztendlich vielleicht doch zustehen könnte, verzichten. Bis zur letzten Seite liest man gebannt von einer verbitterten Großmutter, enttäuschten Söhnen und einer Tochter, deren Verschwinden mit Hals Hilfe nun endlich geklärt werden kann. Sprachlich auf hohem Niveau hebt sich dieser Thriller über viele hinweg, die regelmäßig auf den Bestsellerlisten stehen und eher enttäuschen.

Sehr empfehlenswert!