Mary Beth Keane: Wenn du mich heute wieder fragen würdest, Aus dem amerikanischen Englisch von Wibke Kuhn, Eisele Verlag, München 2020, 464 Seiten, €24,00, 978-3-96161-096-9

„Es war nicht so, dass sie ihn nicht liebte, das wusste er. Sie liebte ihn so sehr, dass es ihr Angst machte, liebte ihn so sehr, dass sie befürchtete, sich selbst davor schützen zu müssen. Er versuchte, ihr zu verstehen zu geben, dass er das mittlerweile wusste, dass es unnötig war, es zu erklären, aber dann wurde ihm klar, dass sie es vielleicht selbst gar nicht wusste.“

Zeitlich weit spannt sich die chronologisch erzählte Handlung dieses Romans, die 1973 in den USA in Manhattan beginnt und im Jahr 2017 in Queens endet. Es geht um Familie und Verantwortung, so viel kann man verraten, und man schlägt das Buch zu mit einer Stimmung, die beschwingt ist und melancholisch, berührt und nachdenklich, aber in jedem Fall bereichert.
Im Mittelpunkt der Geschichte, die bereits als TV-Serie in Vorbereitung ist, stehen zwei Familien, deren Lebenswege sich immer wieder kreuzen werden.

Francis Gleeson arbeitet als junger Polizist in den Bronx. An seiner Seite ist Brian Stanhope. Beide werden, ohne es abgesprochen zu haben, Nachbarn in dem ruhigen Vorort Gillam in Queens. Lena, Francis Ehefrau, sehnt sich nach gesprächigen Nachbarinnen und fürchtet sich doch vor der Kleinstadtidylle. Mit Anne, der reservierten wie phasenweise auch aggressiven Ehefrau von Brian, entsteht keine Freundschaft, obwohl die Männer sich gut verstehen. Lena hat bereits zwei Kinder, Sara und Natalie, als Anne nach einer Totgeburt mit Peter endlich schwanger ist. Auch Lena wird fast zeitgleich ihr drittes Mädchen bekommen. Die Nachbarskinder, die burschikose Kate und den einfühlsamen, leistungsstarken Peter verbindet eine innige Freundschaft und eine gemeinsame Schulzeit. Peters Kindheit ist durch Annes labile psychische Konstitution geprägt. Nie kann er Schulfreunde mit nach Hause bringen, immer ist er um die manisch-depressive Mutter besorgt, die ihn schlägt, wenn ihr etwas nicht passt. Anne hat gerade gegen Kate, die sie „Lumpenmädchen“ nennt, eine unüberbrückbare Antipathie entwickelt. Ehemann Brian hat sich inzwischen völlig zurückgezogen. Er bemerkt zwar, dass seine Frau seine Waffe gern an sich nimmt, aber er versteckt diese nach dem Dienst nicht sorgfältig. Als Peter und Kate in die achte Klasse gehen, spüren beide, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Sie treffen sich spätabends und lösen ungewollt die Katastrophe aus, die über beide Familien hereinbrechen wird.

In tragischer Weise werden Peter und Kate getrennt und finden doch in der Collegezeit wieder zueinander. Gegen den Willen von Francis wird Kate Peter heiraten. Beide bekommen zwei Kinder und Peter steigt sozusagen in die Fußstapfen seines Vaters, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat, und ergreift den Beruf des Polizisten. Auch Anne lehnt jeglichen Kontakt zu Peter ab.

Bemerkenswert sicher in den Dialogen und der Figurenzeichnung schafft es die Autorin, dass der Leser den handelnden Figuren nahe kommt, sie aber doch nicht bis ins Letzte verstehen kann. In Zeitsprüngen zoomt die amerikanische Autorin in die Familienleben von Lena und Francis, dann wendet sie sich wieder Kate und Peter zu. Erzählt wird vom Alltag der Menschen, von Krankheiten, existentiellen Konflikten und großer Zuneigung.

Unterhaltsam und für Langstrecken-Leser gedacht erzählt Mary Beth Keane von der großen Liebe zwischen Peter und Kate, die beide hart im Nehmen sind und vor allem Kämpfer und sich trotz heftiger Konflikte durch nichts auseinanderbringen lassen.

Ein wahrer Schmöker, dessen Geschichte berührt und doch nie sentimental wird!