Maria Grund: Rotwild, Aus dem Schwedischen von Sabine Thiele, Penguin Verlag, München 2023, 416 Seiten, €15,00, 978-3-328-10706-4

„In dem Moment begreift sie. Sie werden sie wegbringen, ebenso wie die Waffen. Sie sieht zu der von der Decke baumelnden Glühbirne, die weiß und kalt leuchtet. Die Gedanken kreisen um den Bunker, tief unter der Erde. Die Kerosinlampen. Keine Fenster. Schallgedämpft.“

Tief im wundersamen, wie abgründigen aber auch vom Kahlschlag geschundenen Wald einer schwedischen Insel finden die Ermittlerinnen Sanna Berling und Eir Pedersen in der Erde einen Bunker. Hier ist alles vorhanden, Lebensmittel mindestens für ein Jahr, Geld und Waffen. Zuvor jedoch entdeckte Sanna mit Hilfe von Nina, die zu einer Gruppe aggressiver Mädchen auf Motorrollern gehört per Drohne ihren vierundzwanzigjährigen Bruder Pascal Paulson im Wald. Nackt und übersät mit Wunden wird Pascal den Tag nicht überleben. Doch was ist mit ihm geschehen? Seine Verletzungen zeugen von einer Hetzjagd, einem Unfall und einem tätlichen Angriff mit einem Messer. Seine letzten gestammelten Worte, die Sanna noch hören kann, beziehen sich auf ein Mädchen.

Sanna wollte sich im Dienst weitab von der Stadt eigentlich nicht mehr mit Gewaltverbrechen befassen. Ein ruhiger Posten jedoch scheint ihr nicht vergönnt zu sein, denn natürlich gehört sie zum Ermittlerteam. Immer noch denkt die Polizistin an ihren letzten ungelösten wie traumatischen Fall. Der minderjährige Mörder Jack Abrahamsson ist auf freiem Fuß und Sanna erhält Anrufe, die sie extrem beunruhigen.

Nach und nach ergibt sich für die Ermittler ein Bild von dem Toten. Pascal war offensichtlich nicht nur Mitarbeit in einem Fitnessstudio, sondern hat auch einen Fight Club gegen Geld unter Minderjährigen veranstaltet. Als Kampfsportler verfolgte er sein ganz eigene Agenda und der gefundene Bunker führt die Polizei zuerst in die rechtsradikale Szene. Als dann jedoch in der Nähe des Bunkers eine zweite Leiche gefunden wird, ändern sich die Spuren und Motive.

Der ungeliebte Journalist Axel Orsa ist das Opfer. Was hat ihn in den Wald getrieben, wem und was galten seine Recherchen? Auskunft geben werden seine Artikel auf seinem Laptop.

Maria Grund umkreist nicht nur ihren Kriminalfall, der, und das scheint neuerdings viele Autoren zu bewegen, toxische Männlichkeit thematisiert. Sie erzählt auch von zwei Frauen, Sanna und Eir, die bei aller Distanz sich umeinander kümmern. Eir, die diesmal extreme Gewalt von Frauen erfahren muss, schafft es einfach nicht mit einem Mann, in diesem Fall ist es der nach außen hin sanft wirkende Fabian, zusammenzuleben. Sanna, die ihren Mann und ihren Sohn durch einen Brand verloren hat ( Jack Abrahamsson hatte seine eigene Mutter und den Brandleger getötet.), konzentriert sich in ihrer Fürsorge nur auf ihren Hund Sixten, nicht aber auf ihr eigenes Wohlergehen. So hat sie sich kaum Möbel für die neue Wohnung angeschafft.

Lange rätselt man als Lesender über den Titel des Buches. Lässt man sich jedoch auf den Fall und die Ermittlerinnen ein, dann versteht man nach und nach, worum sich dieser gesellschaftskritische Krimi mit seiner überzeugenden Figurenzeichnung dreht.