Jojo Moyes: Mein Leben in deinem, Aus dem Englischen von Karoline Fell, Rowohlt Verlag, Hamburg 2023, 510 Seiten, €25,00, 978-3-8052-0085-1

„Sam schaut auf die glänzenden Schuhe, auf Nishas verzerrtes Gesicht. Die Stimmung im Raum ist mit einem Mal umgeschlagen, die Freude der letzten Stunden verpufft.“

Der Autorenname Jojo Moyes steht für den Wohfühlroman. Doch gute Unterhaltung braucht auch eine packende Handlung, die die Leserinnen nicht für dumm verkauft. Jojo Moyes hat sich für ihr neuestes Werk eine wirklich gut konstruierte, wie spannende Geschichte ausgedacht, die zum einen für Schadenfreude sorgen kann, aber auch auf nicht allzu plumpe Art die Frauensolidarität hochhält.

Alles beginnt damit, dass die fünfundvierzigjährige Sam Kemp im Londoner Fitnessstudio ihre Tasche mit der der fast gleichaltrigen, steinreichen Amerikanerin Nisha Cantor vertauscht. Sam muss Hals über Kopf zu einem wichtigen beruflichen Termin. Ihr fieser Chef Simon sitzt ihr seit den Veränderungen in der Firma im Nacken. Sie muss unbedingt Verkaufserfolge verzeichnen. Als sie dann jedoch bemerkt, dass sie nicht ihre eigene Tasche mit den praktischen Schuhen gegriffen hat, sondern extrem hochhackige Schuhe aus dem Hause Louboutin überstreifen muss, auf denen sie sich nur wackelig fortbewegen kann, scheint der Tag gelaufen. Aber das Gegenteil geschieht, die sauteuren Schuhe erregen die Aufmerksamkeit ihrer männlichen wie weiblichen Kunden und die Geschäfte könnten nicht besser gehen.

Sam darf ihren Job nicht verlieren, denn ihr Mann Phil ist arbeitslos und depressiv dazu. Nisha, die nun Sams „Primark“ – Schuhe in der falschen Tasche findet, läuft empört in Bademantel und Flipflops zum Hotel, wo ihr hinterhältiger Mann ihr jeglichen Zugang zu den Räumlichkeiten verwehrt und ihr die Scheidungspapiere aushändigen lässt. Ihre Konten sind gesperrt und ihr Handy funktioniert auch nur noch eine Weile. Tief wird die Society-Lady fallen, denn wahre Freundinnen hat sie keine und ihr Mann Carl hat ihren Rausschmiss nach achtzehn Jahren Ehe längst geplant. Aber auch Nisha hatte einen Verdacht, denn nicht umsonst hat sie einen Privatdetektiv für sich arbeiten lassen. Die auf den hässlichen Boden der Tatsachen verbannte Frau kann auch keinen Anwalt anheuern, denn dieser will im Voraus bezahlt werden. Mit wenig Mitleid verfolgen die Lesenden Nishas Absturz, deren Gedanken sich äußerst neurotisch nur um sich selbst und ihren Luxus gedreht haben. Doch kämpft sie ums Überleben und arbeitet als unsichtbare Putzfrau im grauen Kittel im Hotel. Durch den Job glaubt sie, an ihre persönlichen Dinge im Penthouse zu gelangen. Zum Glück lernt die Amerikanerin, die Haare auf den Zähnen hat, Jasmine kennen, die ihr zumindest eine Bleibe verschaffen wird. Als Nisha endlich mit Carl sprechen will, besteht dieser vor Verhandlungen auf die angeblich angefertigten Schuhe von Louboutin und das macht die noch Ehefrau ziemlich skeptisch.

Natürlich spürt Nisha Sam auf und diese Begegnung hat so einige negative Folgen. Die „Nuttenschuhe“, wie sie Phil bezeichnet hat, hat nämlich Sams Tochter einfach mal zum Wohltätigkeitsladen gebracht. Die Frauen werden im Laufe der Handlung zu Verbündeten, nicht nur gegen Carl, den Betrüger, sondern auch gegen Sams miesen Chef Simon.

In diesem Roman kommen die Männer nicht gut weg. Nur der lebenserfahrene Koch Aleks sorgt für gute Mahlzeiten für die seiner Meinung nach abgemagerte Nisha, und nicht nur dafür.

Dieser Roman vom gefallenen Engel und der märchenhaft ausgleichenden Gerechtigkeit schrammt leicht an der Realität vorbei. Unterhaltsam ist er allemal.