Line Holm, Stine Bolther: Gefrorenes Herz, Aus dem Dänischen von Franziska Hüther und Günther Frauenlob, Heyne Verlag, München 2022, 576 Seiten, €15,00, 978-3-453-44146-0

„Das konnte einfach kein Zufall sein. Ein und dasselbe Zeichen, zuerst auf einem Gemälde, dann 1968 auf den Leichen zweier Bürger aus Hellerup, 1977 auf den Leichnam der grönländischen Frau und nun auf dem Körper eines toten Generalsekretärs.“

Zu Beginn des Jahres 2020 wird die offen drapierte Leiche des allseits bekannten Generalsekretärs des Roten Kreuzes, Georg Schmidt, in Kopenhagen entdeckt. Wie der gekreuzigte Jesus offen ausgestellt und durch ein seltsames Zeichen blutig gekennzeichnet sorgt diese perfide Tat für Betroffenheit, aber auch Häme im Netz. Georg Schmidt war eine öffentliche, sehr strittige Person, die durch ihre Arroganz und Besserwisserei nicht nur Freunde hatte. Als Jude musste er mit Anfeindungen leben und wurde bedroht.
Die Ermittler Mikael Dirk und Frederik Dahlin vom Dezernat für Gewaltverbrechen werden künftig zusammenarbeiten. Beide Männer sind in den Dreißigern, Mikael Dirk ziemlich unzugänglich und mürrisch, Frederik Dahlin dagegen ein Mann, der immer gute Laune hat und kenntnisreich ist, wenn es um Recherchen im Internet oder Darknet geht. Bei ihrem Fall wird den beiden Maria Just helfen. Sie arbeitet als Historikerin im Polizeimuseum und kuratiert eine Ausstellung, die sich mit 100 ungelösten Kriminaldelikten beschäftigt. Als die Polizei das Zeichen auf Schmidts Körper durch die Presse veröffentlicht, kann Maria Just die Ermittler auf einen Fall im Jahr 1968 hinweisen, ein weiterer wird 1977 mit der gleichen Signatur hinzukommen.

1968 gab es den Doppelmord am hoch angesehenen Ehepaar Vinther. Auch hier wurde den Leichen nach der Erdrosselung dieses Zeichen in die Bauchhaut geschnitzt. Maria Just ist ein Bild vom Sohn des Ehepaares aufgefallen, auf dem dieses Zeichen zu sehen ist. Später wird ermittelt, dass es die Schwanzflossen eines Wales sind. Für ihre Ausstellung befragt Maria den damaligen, jetzt über neunzigjährigen Ermittler Ostenfeldt. Er konnte nie auch nur eine brauchbare Spur finden. Oder wollte er nicht?

Die Autorinnen Line Holm und Stine Bolther konzentrieren sich ihrem Seiten starken Debüt auf ihren spektakulären Fall, der mehrere Morde nach sich ziehen wird und sogar einen historischen Hintergrund hat, aber sie umkreisen auch ausführlich das berufliche wie private Leben jeder einzelnen fiktiven Figur.

Auch wenn das Opfer Georg Schmidt sich gern in Casinos aufhielt, mit Prostituierten verkehrte und als jüdischer Bürger die Neonaziszene interessierte, wird seine Rolle in der Asylpolitik des Landes die Ermittler auf neue Spuren führen. Auch der Ministerpräsident und sein Integrationsausschuss in Christiansborg werden bedroht und das hat eindeutig etwas damit zu tun, dass die Regierung zum Wohle des dänischen Volkes und seinen Werten ein Experiment anstoßen will, dass mehr als menschenverachtend und grausam ist.

Immer wieder taucht das Motiv der „gestohlenen Kinder“ oder auch „Gabenkinder“ auf. Auch die Familie Vinthers hatte zwei Kinder aus Grönland in Pflege. Eines ist früh gestorben, der dreiundzwanzigjährige Sohn jedoch hatte zum Zeitpunkt des Mordes ein Alibi. Nach einem ersten Ermittlungserfolg, angestoßen durch Frederik Dahlins Recherchen im Darknet, ist klar, der Polizei ist mit Morten Hasselgren nur ein arbeitsloser, junger Mann aus der Neonaziszene in die Fänge gegangen. Vom ihm stammen zwar die Erpresserschreiben gegen die Regierungsmitglieder, aber er hat sie nicht geschrieben, sondern nur im Auftrag des Mörders verschickt.

Nach und nach jedoch erkennen Dirk, Dahlin und Just gemeinsam ein Motiv, dass mit ungeheuerlichen Geschehnissen, die uns heute fassungslos machen sollten, tief in der Vergangenheit Dänemarks zu tun hat.

Das dänische Duo Holm und Bolther hat einen absolut spannenden, sogar gesellschaftskritischen Krimi geschrieben. Sie umkreisen die dänische Asylpolitik, zeigen Männer in hohen Ämtern, die korrumpierbar jeglichen Realitätsbezug verloren haben und die akribische wie detailgenaue Polizeiarbeit, die nur durch Marias Hinweise zum Erfolg führen wird.

Letztendlich dreht sich alles um das Wohl der Kinder und die Verantwortung der Erwachsenen, die oftmals nicht in der Lage sind, auf sie zu achten.