Henry Sutton: Eine Aussicht zum Sterben – Der Hotel-Inspektor in New York, Aus dem Englischen von Johannes Sabinski, Kampa Verlag, Zürich 2022, 320 Seiten, €19,90, 978 3 311 12546 4

„Sie verlor doch dauernd irgendwas, ein Teenager eben. Ben kam plötzlich auf den furchtbaren Gedanken, dass auch er dauernd irgendwas verlor, selbst das, was ihm am meisten bedeutete – seine Tochter.“

Mitten im August, in der heißesten Zeit des Jahres reist der Hotel-Inspektor Ben Martin mit seiner fünfzehnjährigen Tochter Natalie und ihrer besten Freundin Hannah nach New York. Das Ziel, ein exquisites Hotel auf der Lower East Side. „The Maverick“, das zur Hideaway – Gruppe gehört. Hier will Ben das Haus auf Herz und Nieren prüfen und zugleich Zeit mit seiner Tochter verbringen.
Bens Ex-Frau Alex freut sich auf die freie Zeit ohne Kind, Hannahs Mutter jedoch terrorisiert Ben mit ihren ängstlichen Anrufen. Sicher ist es einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten als zwei fünfzehnjährige Mädchen, aber Ben hat bereits ein Kulturprogramm mit MoMa und anderen Sehenswürdigkeiten zusammengestellt, in der Hoffnung, dass die Mädchen nicht nur die ganze Zeit auf ihre teuren Smartphones starren. Dass seine Tochter einen gefälschten Pass dabei hat, mit dem sie sich als Volljährige ausgibt, scheint irgendwie in London normal zu sein, in New York wird sie damit auf der Polizeiwache landen. Kurzum dieser Arbeitsurlaub wird zum Desaster. Allerdings liefert es viel Stoff für Romane, denn Ben hat ebenfalls einen getürkten Firmenausweise und unter seinem Pseudonym David Slavitt würde er auch gern Kriminalromane veröffentlichen. Zum Schreiben jedoch wird er nicht eine Sekunde kommen, denn die Mädchen halten ihn auf Trab.
Gleich am ersten Abend wollen sie beobachtet haben, dass jemand auf dem Nebengebäude eine Frau in die Tiefe gestoßen haben soll. Um nicht als typischer Vater, der sein Kind nicht ernst nimmt, dazustehen, greift sich Ben am nächsten Morgen den erstbesten Polizisten, und das ist Officer Kiara Williams. Beide entdecken im Nebengebäude eine Filmschule und schnell stellt sich heraus, dass es wahrscheinlich ein Filmdreh sogar mit Skript, das auf dem Dach gefunden wird, gewesen war, was Natalie und Hannah beobachtet hatten. Als dann auch noch eine demolierte Schaufensterpuppe an Ben im Müllwagen vorbeifährt, ist alles klar. Und doch. Kiara beginnt etwas mehr zu recherchieren. Vom Dach ist schon mal eine Frau gefallen. Selbstmord oder Mord? Ben muss sich wieder seiner Arbeit zuwenden und stößt auf ein nächstes Problem. Im Hotel, im Penthouse logiert ein bekannter Milliardär, der sich vehement und mit eigens entworfenen öko-veganen Turnschuhen ( Sagt man nicht Sneakers? ) für die Umwelt einsetzt. Natalie und Hannah, beide neuerdings Veganerinnen, gehören sofort zu seinen Groupies. Der Milliardär Cory Myerson, begleitet von seiner Assistentin und wohl auch neuerdings Freundin, lädt beide sogar zu seiner Party ein, wo Ben natürlich nicht gern gesehen wird. Ben beginnt nach und nach mit seinen Recherchen im Hotel und stellt fest, dass der Generaldirektor nicht brav in seinem Büro sitzt, sondern als Jay Jay den Oberkellner gibt und alles so gut im Auge hat. Ziemlich hypermodern ist nicht nur das Hotel mit seiner extravaganten wie teuren Küche, sondern auch die Gegend mit Hipstercafés und Boutiquen.
Immer mehr geraten die Mädchen in den Sog des Gurus Myerson, der mit zerrissenen Klamotten und aberwitzigen Turnschuhen sich seiner Fangemeinde anbiedert, aber im teuersten Hotel wohnt.
Der Spagat zwischen Achtsamkeit, Umweltbewusstsein und gutem Leben ist manchmal doch waghalsig. Als dann wirklich jemand aus dem 16. Stock des Hotels fällt, landet Natalie bei der Polizei und Ben muss Kiara, die er wirklich fantastisch findet, um Hilfe bitten. Mag die Polizei in Manhattan überfordert sein oder auch korrupt oder faul, bei dem aktuellen Fall kann sie sich nicht wegducken, denn die Presse steht bereits vor der Tür. Den alten Fall, den es wirklich gab, wo die Studenten sozusagen Reinszenierungen zelebrierten, wird Kiara in Angriff nehmen.

Die Idee vom Hotel-Inspektor, der auch noch an exponierten und attraktiven Orten Kriminalfälle löst und in die auch ganz intime, wie interessante Welt von Hotels eintaucht, liest sich auf jeden Fall spannend. Neben Ben Martin ist natürlich Manhattan mit seinem ganz besonderen Flair in diesem Krimi die Hauptfigur. Und nicht zu vergessen, die kritischen wie auch naiven Teenager, die mit ihren Eskapaden, die nicht eine Sekunde gefährlich sind, bereichern die Geschichte mit Komik, aber auch Tiefe, wenn es um so wichtige Themen wie die Umwelt und das Klima geht.