Christos Markogiannakis: Mord unter griechischer Sonne, Aus dem Englischen von Sepp Leeb, Ein Oktopus Buch beim Kampa Verlag, Zürich 2022, 312 Seiten, €16,90, 978 3 311 30034 2

„Er hatte gewollt, dass Lucy Davis wusste, dass er in ihr Haus eingedrungen war. Dass sie sich auf seiner Insel, in seine Angelegenheiten einmischte. Mit den zwei gelöschten Zeilen hatte er ihr eine unmissverständliche Botschaft übermittelt. Schreib das nicht, sonst….“

Nur ein ausgewählter Kreis von Gästen kann sich im großen Haus der Schweizerin Miriama Milandi zum Abschluss des Sommers einfinden. Was ist nur aus der Insel Nissos mit ihren ursprünglich 70 Einwohnern geworden? Immer mehr Tagestouristen finden sich ein und auch die Urlauber nerven. Nur wer wirklich schon jahrelang sein Haus auf der Insel besitzt und natürlich über das entsprechende Geld verfügt, kann bei der Schweizerin ein- und ausgehen. Doch dann entdeckt die zehnjährige Tochter des Hauses in der Abstellkammer eine Leiche. Die vierunddreißigjährige Lucy Davis liegt erschlagen in ihrem Blut vor dem Kind. Gewohnt hat die allseits beliebte Journalistin aus London bei dem hochbetagten einstigen Verleger Arnaud Cadena. Zwar hatte sie sich eine neue Bleibe gesucht, aber das hatte mit der Freundschaft zu dem alten Mann nichts zu tun. Sie arbeitete an einem sogenannten Schlüsselroman über die illustre, internationale Gesellschaft auf der Insel, die ihr gern und leichtgläubig allen Tratsch und alle Geheimnisse verraten hatte. Leider ist ihr Handy und auch ein wichtiges Notizbuch unauffindbar.
Da ein ungeheuer starker Wind über die Insel saust, kann der Polizeichef, der auf Kos ist, nicht mit der Fähre übersetzen. Kommissar Christophoros Markou aus Athen wird übernehmen. Eigentlich ist er auf Zwangsurlaub,von seiner Behörde initiiert, um endlich mal auszuspannen. Aber nun wird er die Ermittlungen leiten.
Nach und nach lernen die Lesenden die Sommerbesucher der fiktiven Insel Nissos kennen. Es ist eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Menschen, die geerbt haben, reich geheiratet oder anders zu einem Vermögen gekommen sind und sich alle für etwas Besseres halten.
Da ist das Schwulenpärchen Pierre und Jaques. Der arrogante Pierre, der eigentlich in Belgien lebt, hat von seiner griechischen Mutter einige Häuser geerbt, die er nun, ohne Steuern zu zahlen, vermietet. Auch der Galerist vor Ort verkauft historische Fotos und verfügt weder über Quittungen, noch eine Steuernummer. Und dann ist da noch eine amerikanische, reiche Erbin, die sich die Königin von Nissos nennt und sich selbst ziemlich überschätzt. Ein türkischer Modedesigner kommt regelmäßig zur Insel, die unweit seines Heimatlandes liegt. Ein italienisches Paar hatte sich mit Lucy verlustiert und hat nun Angst um seinen guten Ruf. Markou spricht mit allen und findet einfach kein Motiv. Als dann die Sache mit dem Roman herauskommt und die Polizei sogar den Laptop und das Manuskript, allerdings mit Passagen, die gelöscht wurden, findet, nimmt die Handlung Tempo auf. Ein alter Kriminalfall aus den 1960er Jahren wird noch ausgebuddelt, bei dem ebenfalls eine junge Frau erschlagen wurde. Ihr Kopf wurde zwanzig Jahre nach dem Mord in einem Brunnen gefunden. Natürlich hat dieser unaufgeklärte Fall etwas mit Lucy Davis‘ Neugier zu tun und dann kommt auch noch der türkische Designer, der eigentlich ein Drogendealer war, ums Leben.

Unterhaltsam erzählt Christos Markogiannakis von menschlichen Abgründen. Mag die Journalistin Lucy Davis das Wohlwollen der Reichen ausgenutzt haben, um sich einen Vorteil zu verschaffen, so kommt die Highsociety auf dieser kleinen Insel auch nicht gerade gut weg. Sympathisch dagegen sind die Polizisten. Kadett Valantis zeichnet sich durch seine Sprachbegabung aus und Kommissar Markou, der in Unmengen Kaffee trinkt und gern die Callas hört, durch seine sensible Art den Menschen zuzuhören und einfach auch genau hinzusehen.

Keine Frage, dieser Krimi mit seinem spannenden Plot ist ein Gewinn unter den Massen an Neuerscheinungen, deren AutorInnen, die sich gern mit griechischen Inseln und Verbrechen befassen.