Lisa Rosinsky: Fast schon bühnenreif, Aus dem Englischen von Sandra Knuffinke und Jessika Komina, Magellan Verlag, Bamberg 2019, 316 Seiten, €17,00, 978-3-7348-5036-3



„Es war einfacher gewesen, ihr dafür böse zu sein, dass sie mir mein Zimmer, meinen Dad, mein ganzes Leben streitig machte, als sie noch die kleine katholische Miss Makellos gewesen war.
Jetzt jedoch war ich mir nicht mehr sicher, ob Miss „Nach der Messe erst mal eine qualmen“ nicht vielleicht eher ihrer Persönlichkeit entsprach. Oder irgendeine verrückte Mischung aus beidem, die ich absolut nicht zu fassen bekam.“

Acadia Rose Greenfields Welt verändert sich schlagartig, als ihr geliebter Vater Ross der Familie beichten muss, dass er noch eine Tochter hat. Elizabeth ist einige Monate älter als Cadie. Gezeugt wurde sie vor fünfzehn Jahren und erst jetzt hat Sunshine, Elizabeths Mutter, die im Sterben liegt, Ross informiert. Nach dem Tod von Sunshine, die in Ohio lebt, holt Ross seine zweite Tochter nach Baltimore. Cadies Eltern gehören der Hippie-Generation an, die einst in einem gemeinsamen Haus mit vielen anderen gewohnt haben. Doch im Laufe der Zeit hat sich viel verändert. Cadies Mutter ist eine gerechte aber auch strenge Schuldirektorin, Ross hat seinen eigenen Buchladen und beide haben auch noch Josh, einen ganz ungewöhnlichen, ziemlich introvertierten Jungen, der Schostakowitsch hört, wenn er sauer ist und ausgezeichnet Cello spielt. Bisher war es so, dass eher der begabte Josh und seine ehrgeizige Mutter ein Team waren und Cadie und ihr Vater sich durch ihre Liebe zum Theater miteinander wohlgefühlt haben. Nun gehört Elizabeth dazu und die Familie muss sich neu finden, denn zwischen den Eltern von Cadie hängt verständlicherweise der Haussegen absolut schief. Auch wenn Ross so tut, als sei es ganz normal noch eine Halbschwester zu bekommen, kann Cadie ihm nicht verzeihen. Als sich auch noch herausstellt, dass Elizabeth ganz verrückt nach Büchern ist, fühlt sich Cadie immer mehr ausgeschlossen. Sie muss ein Zimmer mit der für sie fremden Person teilen und sie wird erleben, dass der Junge, den sie anschwärmt, sich für Elizabeth interessiert, die auch noch traumhaft gut aussieht und sehr weiß ist und somit nach dem Vater kommt.
Anfänglich gibt sich Cadie Mühe, denn die wie aus dem Ei gepellte und nicht unsympathische Elizabeth ist freundlich und irgendwie sehr fromm und katholisch. Cadie geht sogar zur Messe am Sonntag mit, da die Mutter nicht möchte, dass die neue Tochter allein geht.
Cadie hat fantastische Freundinnen und sie hat Talent zum Schauspielern. Jedoch im Augenblick ihres größten Triumphs, sie wird die Beatrice im Shakespeare-Stück “Viel Lärm um nichts“ spielen, platzt Elizabeth in die Familie und absorbiert alle Aufmerksamkeit.

In den kursiven Textteilen kommentiert Cadie ziemlich witzig, alles was um sie herum geschieht und macht auch nicht halt vor den Jungen, die sie anschwärmt.

Die Anspannungen in der Familie sind nicht zum Aushalten, denn die gekränkte Mutter legt all ihre Energie in die Talente ihres Sohnes, ohne nachzufragen, was er eigentlich möchte.
Cadie scheint viel zu gut erzogen, als dass sie wirklich offen sagt, was sie denkt. Sie zerbricht nicht an der neuen Halbschwester, die ihr auch nicht die Luft zum Atmen nimmt, denn sie erkennt ja, dass auch diese mit einem schweren Schicksalsschlag innerlich kämpfen muss. Für sie ist alles ungewöhnlich neu und sie hat den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren.

Sehr ordentlich und ohne existenzielle Dramen erzählt die amerikanische Autorin Lisa Rosinsky aus Cadies Blickwinkel von dem Geschehen rund um die Teenager, die sich zum ersten Mal verlieben, ihre Leidenschaft fürs Theater entdecken, sich zum ersten Mal küssen oder mit Jungen verabreden.
Nicht mehr Kind sein und doch nicht erwachsen, die Zeitspanne ist heikel. Wenn dann noch persönliche Verunsicherungen dazukommen, ist es um so schwerer vieles einzuordnen und nicht ungerecht zu sein. Cadie ist nicht ungerecht, aber der Leser kann auch ihre Position verstehen.

Solides Jugendbuch – sicher ein Lieblingsbuch für alle, die vielleicht auch mal Theater spielen wollen oder für die Bühne schwärmen!