Amanda Eyre Ward: Die Urlauber, Aus dem amerikanischen Englisch von Christiane Winkler, Limes Verlag, München 2021, 432 Seiten, €18,00, 978-3-8090-2742-3

„In der Familie Perkins sprach man bestimmte Themen nicht wirklich an. Man lebte und tat so, als wäre alles perfekt. Jeder, der ein Problem ansprach oder Unsicherheit zeigte, war ein Unruhestifter oder übertrieb.“

Die siebzigjährige Charlotte Perkins fühlt sich nach dem Tod ihrer besten Freundin in Savannah, Georgia, einsamer als je zuvor. Nach dem Tod ihres Mannes Winston hatte sie die drei Kinder als Immobilienmaklerin allein durchgebracht. Doch jetzt waren sie in alle Winde verweht und irgendwie aus ihrem Leben entschwunden. Charlotte beteiligt sich erfolgreich an einem Schreibwettbewerb und gewinnt, oh Wunder, die Kreuzfahrt mit Familie. Die älteste, immer noch attraktive Tochter Lee reist, die Mutter hat keine Ahnung, finanziell am Ende aus L.A. an. Ihre Karriere als Schauspielerin scheint mit Ende dreißig an einem Tiefpunkt angelangt zu sein. Sohn Cord, zwei Jahre jünger, hadert in New York mit allem. Zwar ist er in den schönen Giovanni verliebt und die beiden wollen auch heiraten, aber beruflich läuft es nicht sonderlich gut und nach der Entziehungskur ist er immer noch instabil. Die jüngste im Reigen der Kinder ist Regan. Die etwas übergewichtige Regan hat früh die ehemalige Jugendliebe ihrer Schwester geheiratet und zwei Kinder bekommen. Ihren Mann Matt würde sie am liebsten umbringen und sicher hat sie allen Grund dazu, denn sie weiß, dass er sie betrügt.

Aus der Perspektive von Charlotte, Lee, Cord und Regan erzählt Amanda Eyre Ward nun von der zehntägigen Europareise mit Stippvisiten in Athen, Rhodos, Valletta, Pompeji, Rom, Arles. Barcelona und anderen Städten. Mal mehr mal weniger kompetent sind die Reiseführer vor Ort, mal mehr mal weniger peinlich das Anpreisen von billigen Souvenirs und die geschmacklose Massenabfertigung trotz Luxusdampfer.

In Rückblenden erfährt der Leser und die Leserin wie die Kindheit der drei verlaufen ist und mit welchen Schwierigkeiten alle klarkommen mussten. Dass die Perkins eine dysfunktionale Familie ist, bleibt kein Geheimnis, zumal niemand dem anderen die Wahrheit zumutet. Charlotte, die immer noch mit ihrer emotional kalten Mutter ringt, will einfach nur Spaß und nichts hören und sehen. Dabei wollte sie doch durch diese Reise die Familie endlich wieder zusammenführen. Gefangen in ihrem Kokon und dem Hadern mit der Vergangenheit ( darum dreht sich auch ihre prämierte Geschichte ) bleibt die Enttäuschung über die nicht perfekte Familie.
Dabei kann ihr nicht entgangen sein, dass ihr Sohn wieder bis zur Besinnungslosigkeit trinkt, die Ehe ihrer jüngsten Tochter ein Desaster ist, zumal sich Matt auch noch für diese Reise eingeladen hat, und Lee aus ihrem Leben einfach nichts gemacht hat. Alle denken, dass Ehemann Winston an einem Herzinfarkt verstorben ist. Dabei hat ihn Lee aufgehängt in ihrem Badezimmer gefunden, als sie damals vierzehn Jahre alt war. Von der Mutter wurde sie stillschweigend dazu verdonnert, den anderen eine Lüge zu erzählen, denn niemand sollte von Winstons Depressionen wissen. Alle Familienmitglieder erleben im ungewohnten Beisammensein nun einen Rückfall in ihre alten Verhaltensmuster der Mutter gegenüber.
Hielten die Geschwister früher zusammen, so sind sie jetzt kaum noch in der Lage, miteinander ohne Plattitüden zu reden. Einer schämt sich für den anderen und jeder ahnt doch, was wirklich im Leben des anderen geschehen ist.
So steht Giovanni plötzlich in Rom vor der Familie im Glauben, dass Cord endlich seiner doch sehr religiösen Mutter von seinen Eheabsichten mit einem Mann erzählt hat.

Mögen sich einige Konflikte gezwungenermaßen lösen, so legen die Perkins, die in keinster Weise als Figuren sympathisch sind, jedoch nicht allzu schnell ihre gewohnten Verhaltensweisen ab. Die Aneinanderreihungen ihrer menschlichen Schwächen und Versagensängste dominieren die Handlung. Peinlich wird es in den Dialogen, in denen sich die Familienmitglieder ihrer gegenseitigen Liebe vergewissern, ohne ehrlich zu sein. Hier hätte der Handlung mehr Tempo gutgetan und vor allem mehr Ambivalenz in der Charakterisierung der literarischen Figuren.