Katrine Engberg: Das Nest – Der Kopenhagen – Krimi, Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg, Diogenes Verlag, Zürich 2021, 416 Seiten, €20,00, 978-3-257-07173-3


„Anette spürte einen kalten Hauch im Nacken. Ein Familienbett?“

Es mag seltsam klingen, dass eine Familie mit Kindern, die in der Pubertät oder auch schon darüber hinaus, mit ihren Eltern in einem fünf Meter breiten Elternbett schlafen. Der Gedanke dahinter, so der Vater Henrik Dreyer-Hoff ist, dass man die Kinder nicht allein in ihren Zimmer lassen dürfe. Die Ermittler Anette Werner, gerade selbst Mutter geworden, und Jeppe Kørner sind schon verwundert, zumal einer der Söhne der Familie, der fünfzehnjährige Oscar, verschwunden ist. Könnte es eine Entführung sein, die Familie Dreyer-Hoff führt ein gut gehendes Aktionshaus, oder wollte Oscar mit dem Zitat aus dem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde seinen Selbstmord verkünden? Ziemlich verzweifelt suchen die Beamten nach dem Jungen.
Zeitgleich taucht eine Leiche in der hochmodernen Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen auf, deren Auffindung den Prozessingenieur Kaspar Skytte völlig aus der Bahn wirft. Oder steckt hinter seinem Schock etwas anderes? Seine Tochter Iben ist die Freundin von Oscar, dessen Zeichentalent allgemein bekannt ist. Ein junger Lehrer, der sich sehr für Oskar am Gymnasium eingesetzt hat, ist Malthe Sæther. Er ist der Tote, der weiß geschminkt und erdrosselt in der Anlage gefunden wurde.
Parallel zu den Geschehnissen spielt auch die gute siebzigjährige Bekannte von Jeppe, Esther de Laurenti, eine wichtige Rolle bei der Lösung dieses Falles. Sie beschäftigt sich mit den Beerdigungsritualen verschiedener Völker und trifft im Thorvaldsen – Museum Jenny Kaliban, eine Künstlerin, die sich mit Geldsorgen herumschlagen muss und hier Führungen gibt. Sie ist die Tante von Oscar. Allerdings hat sie sich mit der Familie Dreyer-Hoff überworfen. Je mehr die Ermittler hinter die saubere Fassade der Familienverhältnisse der Dreyer-Hoffs schauen, um so mehr bröckelt diese.

Komplizierte Familienverhältnisse spielt Katrine Engberg auch durch, wenn sie die Leser in die Privatleben ihrer Ermittler schauen lässt. So liebt Jeppe die IT-Spezialistin Sara Saidani, eine Kollegin, findet aber keinen Zugang zu ihren Töchtern, die elf und acht Jahre alt sind. Anette liebt ihren Svend, auch nach fünfundzwanzig Jahren Beziehung, scheint aber doch nicht unempfänglich für andere Männer zu sein.

Katrine Engberg führt erneut in ihrem fulminanten Krimi geschickt viele verschiedene Handlungsstränge mit einem reichen Personal zusammen und hält die Spannung bis zu den letzten Seiten. Die Erwartungen an die dänische Autorin sind sicher hoch, aber dieser Roman enttäuscht sicher nicht.