Jean-Luc Bannalec: Bretonische Idylle, Kommissar Dupins zehnter Fall, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021, 318 Seiten, €16,00, 978-3-462-05402-6

„Doch! Er hatte sich richtig erinnert. Uhrzeiten. Es ging um Uhrzeiten. Und um einen nassen Rasen. Von dem natürlich nichts in seinem Notizheft stand. Aber er erinnere sich auch so.“

Vielleicht schon ab dem letzten Dupin Fall bin ich mir nicht sicher, ob ich diese Bücher einfach nur liebe und lese, weil ich die Bretagne im Urlaub erlebt habe und eine wunderbare Erinnerung daran geblieben ist. Um ehrlich zu sein, auch bei Donna Leon und ihrem Commissario Brunetti ergeht es mir ähnlich. Unvergesslich, traumhaft schönes Venedig im Herbst und Menschenmassen im Sommer. Man schiebt sich durch die Touristenmenge noch vor Corona und flieht in die seitlichen Gassen, um ein bisschen das Flair der einzigartigen Stadt zu genießen. Leider sind die Verfilmungen der Venedig – Bücher besser als die der Dupin – Fälle. Aber gut, es geht ja hier um den Kriminalfall in Buchform.
Eine Hitzewelle ist im August in der Bretagne angekommen. Aber das hält die Mitarbeiter von Georges Dupin nicht davon ab, sein zehnjähriges Jubiläum vorzubereiten. Sicher würde er sich gern vor dieser Festivität drücken und wie es der Zufall so will, winkt auch schon ein neuer Fall.
In einer Boje im Hafen von Doëlan hat sich eine männliche Leiche verfangen. Wäre sie in den Strömungskanal gelangt, hätte man zwar diese bestimmte Person vermisst, aber vielen wäre auch klar, dass das Meer den Menschen wie so viele andere geholt hat. Bei dem Toten handelt es sich um Patric Provost, einen Mann um die sechzig, der eindeutig erwürgt wurde. Er wohnt nicht auf dem Festland, sondern auf der wohl schönsten Insel, der Belle-Île. Hier hat Monet gemalt, Künstler, wie Matisse oder Rodin haben die Insel besucht und sogar Sarah Bernhardt hat eine Zeit lang auf der Insel gelebt.
Auch Provost ist auf der Insel ein bekannter Mann, denn ihm gehört nicht nur die größte Schafzucht, sondern auch Immobilien und Land. Besonders geachtet wurde der Tote allerdings nicht, denn er war äußerst geizig, allem Neuen gegenüber skeptisch und mit allen Leuten zerstritten.
Auch wenn die Ermittlungen auf der Insel Belle-Île, die man per Fähre von Quiberon aus erreichen kann, im Gange sind, liefert Mitarbeiter und leidenschaftlicher Bretone Riwal wieder alle wissenswerten Hintergrundinformationen. Er hat sogar das Glück, dort über ein geräumiges Haus mit Blick aufs Meer zu verfügen. Nicht übermäßig, aber doch immer wieder fließen Schilderungen über die Magie der Insel, ihre Farbenpracht, die Felsenlandschaft, aber auch die wundersamen Flechten in den Text ein.

„Eins war Dupin auf der Stelle klar: Es war perfekt. Absolut perfekt. Das hier war sein Platz. Ar baradoz, das Paradies. Einfach zu merken, auch auf Bretonisch. Besser ging es nicht. Das waren die Orte, die er liebte. Ungezwungen, urwüchsig, bodenständig.“

Was Dupin allerdings von den Menschen halten sollte, ist ihm eine ganze Zeit nicht so ganz klar. Mit dem Tod des tyrannischen Ekels ergeben sich für einige Leute, die mit ihm im Streit lagen, so einige Vorteile. Allerdings scheint jemand den reichen Provost, um eine Million erpresst zu haben.
Sein Hund wurde als Warnung bereits getötet. Doch wo ist die Hundeleiche?
Laut Testament geht alles Geld des Toten in eine Projekt der rührigen Bürgermeisterin Megret, die ein millionenschweres Umweltprojekt initiiert hat. Provost war angeblich davon fasziniert, weil es dazu beitrug, die Insel energietechnisch vom Festland unabhängig zu machen.
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Kapitän Albert Zinc wird entführt, wieder folgt eine Geldforderung und die Ex-Frau von Provost, die beiden sich schon über zwanzig Jahre geschieden, wird getötet.
Die enorme Hitze im August scheint Dupins graue Zellen nicht gerade zu aktivieren, denn er dreht sich im Kreis und findet einfach kein Motiv, geschweige denn den Mörder.
Wie immer lernt man als Leser eine Reihe von mehr oder weniger sympathischen, wie eigenwilligen Menschen kennen, die wohl oder übel mit dem Fall in Verbindung gebracht werden müssen.
Jörg Bong, alias Jean – Luc Bannalc, weiß genau, wo es so richtig interessant und zugleich landschaftlich einmalig schön und pittoresk ist. Dieser neue Roman ist eine wunderbare, abgesehen von dem Fall, Reise über Quiberon nach Belle-Île und zugleich eine Entschädigung fürs brave Zuhause bleiben.
Und nach der Party zum zehnjährigen Jubiläum, kann der elfte Fall folgen!