Dorothy L. Sayers: Ärger im Bellona-Club, Ein Fall für Lord Peter Wimsey, Aus dem Englischen von Otto Bayer, Rowohlt Verlag, Wunderlich, 320 Seiten, €15,00, 978-3-8052-0074-5

„Wimsey mochte seine Hände in Unschuld waschen, aber wie Pontius Pilatus sah er sich von der Gesellschaft wider alle Vernunft gezwungen, sich weiter mit einem ärgerlichen und unbefriedigenden Fall zu befassen.“

Der Kriminalroman beginnt mit einem interessanten wie skurrilen Bild. Ein ausgedienter General besetzt an jedem Tag im Jahr immer den gleichen Stuhl in der Bibliothek seines Bellona – Clubs und scheint dort festgewachsen zu sein.
Niemand ahnt Böses, wenn er General Fentiman in seinem Stuhl die Zeitung lesend betrachtet. Allerdings geschieht am 11. November, dem Waffenstillstandstag, etwas Außergewöhnliches, denn General Fentiman kann nicht mehr lesen, da er bereits Stunden tot sein muss. Doch wann ist er an diesem Tag gestorben und wer kann darüber wirklich Auskunft geben?
Als der Anwalt der Fentiman Erben, Major Robert Fentiman und Hauptmann George Fentiman, Lord Wimsey um Hilfe bittet, kann dieser nicht ablehnen. Immerhin geht es um eine Summe von einer halben Million Pfund oder 12000 Pfund.
Über fast ein ganzes Leben hatte der nun über neunzigjährige General Fentiman keinen Kontakt zu seiner Schwester, der wirklich eigensinnigen Lady Dormer, die laut Familie einfach nur Geld und nicht standesgemäß geheiratet hatte. Laut ihrem Testament erbt der General, wenn er nach ihr stirbt, ihr Vermögen. Sollte sie allerdings früher sterben, geht ihr Geld an ihre Gesellschafterin, Miss Ann Dorland. Eine verzwickte Geschichte, denn die Lady verkühlt sich und stirbt genau am 11.November um 10.37 Uhr. Da General Fentiman jeden Morgen pünktlich um 10.00 Uhr, nur an diesem Tag etwas später, eintrifft, ist sein genaues Todesdatum nicht mehr feststellbar.
Hauptmann George Fentiman lebt bedingt durch seine Verletzungen im Krieg vom Geld seiner Frau, die jeden Tag arbeiten gehen muss. Für ihn wäre das Erbe ein Segen. Aber auch Ann Dorland besteht auf die genaue Befolgung des letzten Willens ihrer Tante. Eine Einigung scheint nicht in Aussicht.
Akkurat beginnt Peter Wimsey nun mit seinen Ermittlungen. Zum Glück hat der Diener vom General die Kleidung des alten Herren noch nicht gereinigt. Der Lack an seinen Schuhsohlen wird ein wichtiges Indiz sein. Verstorben angeblich an Herzversagen, festgestellt durch den langjährigen Arzt, Dr. Penberthy, wurde doch die Totenstarre unterbrochen. Jemand hatte sich an der Leiche zu schaffen gemacht, d.h. die Knie berührt und auch die Zeitung dem General in die Hände gedrückt. Nur wann? Jemand versucht Peter Wimsey an der Nase herumzuführen, denn seine Recherchen sind auch den Clubmitgliedern lästig.
Seltsam ist auch, dass bei dem Toten die obligatorische Mohnblume fehlt. Nach und nach lernt Peter Wimsey alle Beteiligten kennen und immer mehr können sich die Lesenden ein Bild vom Leben der Militärangehörigen nach dem aktiven Dienst vorstellen. Natürlich geht es um Standesdünkel, die britische Klassengesellschaft und sehr viel Geld.
Wimsey kombiniert richtig und nach der Exhumierung des Leichnams und einer Autopsie stellt sich heraus, dass der General bereits am 10. November verstorben ist und dazu noch mit Hilfe einer Überdosis Digitalin.
Wie der herausragende Wimsey durch seine Kombinationsgabe Stück für Stück diesen Fall löst, liest sich durchaus spannend, denn alle Figuren agieren ambivalent und lebensecht.

So wundert es nicht, dass dieser Fall des Gentleman-Detektiv Lord Peter Wimsey, erschienen 1928, immer noch sehr lesbar ist, und er vieles über die englische Gesellschaft zu erzählen hat.