Thomas Enger, Jørn Lier Horst: Blutzahl, TB, Aus dem Norwegischen von Maike Dörries, Günther Frauenlob, Blanvalet in der Verlagsgruppe Randomhouse, München 2020, 480 Seiten, €11,00, 978-3-7341-0894-5


„Was Blix aber am meisten quälte, war die Tatsache, dass jemand anders zu bestimmen schien, was als Nächstes passierte. Und wann. Bis jetzt hatte der Betreffende die volle Kontrolle über die Ereignisse.“

Hauptkommissar Alexander Blix ist ein Mann, der für eine klare Ansprache steht, nur bei seinem Chef, Gard Fosse, mit dem er gemeinsam bei der Osloer Polizei angefangen hat, muss er sich ab und zu auf die Zunge beißen, um nicht ausfallend zu werden. Blix ist geschieden und hat keinen allzu guten Kontakt zu seiner Tochter Iselin, die nun auch noch bei einer Reality-Show im Fernsehen teilnimmt.
Neu an seiner Seite arbeitet Sofia Kovic, die im ersten Band eher im Hintergrund zuverlässig agiert.
Blix verfolgt ein Trauma. Vor neunzehn Jahren musste er bei einem Einsatz mit gravierenden Folgen einen Mann erschießen, der seinem eigenen fünfjährigen Kind, nachdem er seine Ehefrau erschossen hat, die Pistole an den Kopf gehalten hat. Dieses Kind ist Emma Ramm, die nun als Bloggerin und Journalistin für das Internetportal news.no arbeitet. Emma schreibt über das Leben der Promis, wird aber im Laufe der Handlung immer mehr zur Kriminalreporterin. Bindungsunfähig, sehr neugierig und furchtlos geht die junge Frau durchs Leben. Durch eine Krankheit hat sie all ihre Haare verloren und an die tragischen Geschehnisse vor neunzehn Jahren keine Erinnerungen.

Erzählt wird der Plot vom Autorenduo multiperspektivisch, mal aus Blix‘ Sicht, dann wieder aus Emmas Blickwinkel oder aus der Sicht des Täters.

Eigentlich sollte Sonja Nordstrøm, eine bekannte Leistungssportlerin in einer Morgenshow im Fernsehen auftreten, zumal sie gerade ihre Autobiografie „Ewig Eins“ gemeinsam mit einem Journalisten veröffentlicht hat, in der so einige Weggefährten nicht gut wegkommen. Doch sie erscheint nicht zum Termin und langsam wird klar, dass sie entführt worden ist. Emma begegnet immer wieder bei den Ermittlungen Alexander Blix, denn ein Promi nach dem anderen wird entführt und getötet. Blix weiß, wer Emma ist und gibt aus schlechtem Gewissen ab und zu ein paar interne Infos an sie weiter. Das jedoch kostet ihn kurz vor Ende der Ermittlungen fast den Job. Langsam schält sich heraus, dass ein Täter den Countdown probt und seine offensichtliche Wut an dänischen Fußballprofis, harmlosen Lottogewinnern, sich allmächtig fühlenden Rundfunkmoderatoren, Internet-Sternchen oder Pastoren, die ihre Gemeinde schröpfen, auslässt. Die ewige EINS, Sonja Nordstrøm, ist das erste Opfer, zwei, drei, zehn weitere werden folgen. Ein Ermitteln gegen die Zeit hat für Blix begonnen und am Ende wird sogar seine Tochter als Figur des öffentlichen Interesses in Gefahr sein. Neben der Suche nach dem Serienmörder, der sich wie Gott gebärdet, beschäftigen die Autoren sich natürlich auch mit dem Konkurrenzdruck innerhalb der Medien und dem immer schneller werdenden Informationsfluss, der nichts mehr mit gründlicher, journalistischer Arbeit zu tun hat. Falschmeldungen sind an der Tagesordnung und auch Emma und ihre Vorgesetzte unterliegen der Hektik des Tagesgeschäftes.

„Blutzahl“, der Bestseller aus Norwegen, besticht durch seine kurzen Kapitel und schnellen Szenenwechsel, die das Tempo der Geschichte enorm erhöhen und zugleich die Spannung aufrecht erhalten. Der Leser wird nicht mit langen Exkursen in die Pathologie gelangweilt oder ermittlungstechnischen Details. Lange Befragungen spielen keine Rolle und trotz zahlreicher Opfer mit entsprechendem Umfeld bleibt die Handlung übersichtlich. Die Kommissare sind authentische Figuren, denen die Autoren keine unnötigen Macken, Leiden, Hobbys oder Psychoticks andichten. Die schicksalhafte Verbindung zwischen Blix und Emma ist menschlich nachvollziehbar und längst nicht auserzählt, was klar ist, denn einige Bände sollen noch folgen. Man darf gespannt sein!