Åsa Larsson: Wer ohne Sünde ist, Aus dem Schwedischen von Lotta Rüegger und Holger Wolandt, C.Bertelsmann Verlag, München 2022, 592 Seiten, €22,00, 978-3-570-10102-5

„Von Post dachte: Irgendwo auf der Welt gibt es Leute, die nach Orten wie Kiruna suchen. Sie sitzen über Landkarten gebeugt und holen Informationen ein. Analysieren und fassen Beschlüsse. Finden Orte, die sich ausplündern lassen. Sie planen und schicken Leute, die das nötige Know-how besitzen. Sein Zustand schwankte zwischen Entsetzen und dem Gefühl, ein hysterischer Verfechter von Verschwörungstheorien zu sein.“

Ausgezeichnet mit dem Schwedischen Krimipreis steht im Mittelpunkt dieses Thriller wieder die spröde, so widersprüchliche, mal ruhige, mal rasende und Hunde liebende Oberstaatsanwältin Rebecka Martinsson, der „seelische Underdog“. Gehasst wird sie nur vom amtierenden Vorgesetzten von Post, den alle die Pest nennen, denn geschätzt wird er kaum. Aus Rache überlädt er, der gern bei seinen Rotari-Freunden weghört, wenn es um Steuerhinterziehung oder andere Geschäfte geht, Rebecka mit lang liegen gebliebenen Fällen, die sie langsam verzweifeln lassen. Warum hat sie diesen kleinen nördlichen Ort Kiruna gewählt? Weil sie von hier kommt? Möglich, immerhin wohnt sie jetzt im Haus der Großmutter, die sie, nach dem Weggang der Mutter Virpi, einst aufgezogen hat.
Der Seiten starke Roman beginnt mit dem Suizidplan der 66 – jährigen Ragnhild Pekkari. Ihr Leben scheint keinen Sinn mehr zu haben. Die Tochter hat sich von ihr abgewandt, ihr Enkelkind hat sie noch nie gesehen und ihre 30-jährige Arbeit als willensstarke Krankenschwester wurde zum Ende nicht gewürdigt. Ragnhild kennt die Mutter von Rebecka. Virpi kam als dreijähriges Pflegekind in die Familie und wurde von ihr, als sie vierzehn war, vor die Tür gesetzt. Als Ragnhild zur Tat schreiten will, kommt ein Anruf wegen ihres Bruders Henry, einem ewigen Alkoholiker. Auch zu ihm hat Ragnhild über dreißig Jahre keinen Kontakt. Als sie seine völlig verdreckte Hütte auf einer Insel aufsucht, kann sie nur noch seinen Tod feststellen. Und sie findet in der Tiefkühltruhe einen zweiten Toten, den erschossenen Raimo Koskela, der seit 1962 gesucht wird. Er ist der Sohn des berühmten Boxers und Olympiasiegers Börje Ström, der, auch wenn der Mord verjährt ist, unbedingt wissen will, warum sein Vater sterben musste.
Kurz vor seinem Tod hatte Henry mit seinem Bruder Olle telefoniert, der seinem Sohn Anders seine gutgehende Firma übergeben hat.

Parallel wird nun mit vielen Nebensträngen ( Rebecka kommt immer noch nicht damit klar, dass sie ihre Beziehung zu Krister beendet hat und er nun eine neue Freundin hat. Rebecka muss eine Party für angebliche Freundinnen ausrichten. Die Polizistin Anna – Maria und Rebecka haben so ihre ganz eigenen Konflikte, von Posts Frau will sich scheiden lassen und und und …. ) erzählt, wie Börjes Karriere als Leistungssportler verlaufen ist und wie die Polizisten, der sich zur Ruhe gesetzte Sven-Erik und dann später Anna-Maria Mella ermitteln, denn in der Nähe der Insel werden außerdem noch zwei junge, tote Prostituierte, mehrmals von einem Schneefahrzeug überfahren, gefunden.
Als dann klar wird, dass Henry keinen Herzanfall hatte, sondern ermordet wurde, führt die Spur erst mal zu Olle und dann zum Preiselbeerkönig, Frans Mäki. Der Kriminelle ist in die Jahre gekommen, hat eine russische, ebenfalls dubiose junge Frau geheiratet, die mit ihren Schlägern die Umgebung unsicher macht.
Als von Post es endlich schafft, dass Rebecka nicht mehr ermitteln darf, da es sich ja bei Henry um Verwandtschaft, was nicht stimmt, handelt, zieht sie sich zurück. Doch dann geschieht ein schreckliches Unglück und von Post wird bei Rebecka vor der Tür stehen und mit ihr gemeinsam die Ermittlungen aufnehmen.

Åsa Larsson erzählt ausschweifend von der rauen Natur des schwedischen Nordens gerade im Frühjahr, aber auch von Menschen, die sich lieber einen Hund anschaffen als Freundschaften pflegen, allein in die Berge gehen, im Schnee übernachten und ziemlich viel Alkohol trinken.

Vielschichtiges Drama ohne Happy End mit ambivalenten Figuren!